Jenseits von Timbuktu
ging ein paar Schritte auf Zehenspitzen hinein und schaute zum Bett. Cordelia hatte den Kopf zur Seite gedreht. Es war nicht zu erkennen, ob sie schlief oder wach war. Bei ihrer Mutter hatten die Anfälle oft zwei oder drei Tage gedauert, selten mal nur ein paar Stunden. Wenn Cordelia nach ihr kam, hatte es wenig Sinn, jetzt noch länger hierzubleiben. Leise zog sie die Tür zu.
»Komm ruhig rein, es geht schon wieder.« Es war Cordelias Stimme, noch etwas belegt, aber gut verständlich.
Anita öffnete die Tür wieder. Ihre Schwester schwang eben die Beine langsam aus dem Bett. Der Eisbeutel schmolz auf dem Nachttisch und das Wasser tropfte auf den Dielenboden, wo sich bereits eine gröÃere Wasserlache gebildet hatte. Cordelia schaute hohläugig zu ihr herüber.
»ScheiÃmigräne«, murmelte sie. »Aber ich habe Glück gehabt, es war nicht der groÃe Sturm. Bleibst du noch ein wenig?«
Anita schielte auf ihre Uhr. Es war Viertel nach eins. Sie musste an die Invasion von Sammeltaxis denken, die Ströme von Menschen, die vorgestern auf der Fahrt mit Jill und Dirk die StraÃen verstopft hatten. In diese Lage wollte sie auf keinen Fall noch einmal geraten, und schon gar nicht allein. »Um drei Uhr spätestens möchte ich hier los«, sagte sie.
»Vernünftig.« Cordelia nickte und stand auf. »Setz dich auf die Terrasse, ich komme gleich nach.« Mit einer Handbewegung wies sie auf die halb offene Tür, die vom Schlafzimmer direkt ins Badezimmer führte.
Anita ging hinaus auf die Veranda und lieà sich in dem Sessel nieder, wo sie auch ihre Umhängetasche entdeckte.
Cathy streckte den Kopf aus der Tür. »Soll ich Tee bringen? Kommt Maâam auch?«
Anita bejahte das und bat um Kaffee. Tee hatte sie noch nie etwas abgewinnen können. AuÃerdem bekam er ihr nicht. Ãber dem Land hing eine Hitzeglocke und dämpfte alle Geräusche, kein Lüftchen rührte sich. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und beobachtete eine schlanke Eidechse mit blauem Schwanz, der die Pflastersteine der Zufahrt offensichtlich zu heià wurden, denn sie tanzte unentwegt von einem Bein aufs andere. Als eine Fliege in ihrer Nähe landete, erstarrte sie, zwei Beine in der Luft hängend. Dann vollführte sie eine Bewegung, die so schnell war,
dass Anita sie nur verwischt wahrnahm, und als Nächstes kaute die Echse vernehmlich knirschend auf der Fliege herum, die sie alsbald herunterschluckte. Nachdem sie sich mehrmals über die schuppigen Lippen geleckt hatte, nahm sie wieder ihren hektischen Tanz auf.
»Das ist ein Regenbogenskink, hübsch, nicht wahr?« Cordelia, das Haar noch feucht von der Dusche, kam eben aus dem Haus und brachte einen Teller mit hellem Biskuitgebäck. Sie setzte sich, verschlang die Beine ineinander, ganz fest, und verschränkte die Arme zum Schutz vor der Brust. »So, jetzt willst du unsere Familiengeschichte wohl weiterhören, was?«
Anita schaute auf ihre gefalteten Hände und hatte den fast unwiderstehlichen Impuls wegzulaufen, um nicht noch mehr von diesem Horror zu erfahren. »Nein, erst muss ich etwas klären. Ich kann einfach nicht glauben, dass Papa so etwas getan hat.« Sie zwang sich, ihrer Schwester fest in die Augen zu sehen. »Eine Engelmacherin! Dich mit dem Gürtel verprügeln, ganz zu schweigen, was er mit diesem Mandla gemacht haben soll! WeiÃt du, dass er mir nie auch nur eine kleine Ohrfeige gegeben hat, nicht einmal im Ansatz?«
»Nein, woher auch. Mein Vater war da anders.« Cordelia vermied es, ihren Blick zu erwidern, während sie sich damit beschäftigte, Tee in ihre Tasse zu gieÃen. Mit beiden Händen umschloss sie die Tasse, als suchte sie Wärme.
Anita wollte sie nicht so einfach davonkommen lassen. »Papa war warmherzig und liebevoll, er hat mich und ⦠Mama geliebt, und er hat es gezeigt. Immer. Ein Mann kann sich doch nicht derart verändern, und er hat sich doch unmöglich so verstellen können!« Sie war laut geworden, und ihr Herz klopfte hart. Entschlossen, sich ihre glückliche Kindheit nicht zerstören zu lassen, redete sie weiter. »Hat er dich auch sonst geschlagen? Mit dem Gürtel? War er immer so?«
Endlich reagierte ihre Schwester. »Nein ⦠nein. Erst als
Mandla und ich â¦Â« Ihre Hände flatterten abwehrend. »Da fing es an.«
»Nun, vielleicht hatte er Angst? Ihr habt doch
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