Jenseits von Timbuktu

rabiaten Moskitos. Die schlimmen Bilder ließen sich einfach nicht unterdrücken. Sie nahm sich vor, Jill später darauf anzusprechen.
    Niedergeschlagen schlug sie den Pfad ein, der zurück zu ihrem Bungalow führte. Die ersten Sonnenstrahlen, die durch die Blätter blitzten, brannten ihr trotz des frühen Morgens auf
der Haut. Sie kehrte zu ihrem Bungalow zurück und cremte sich großzügig mit Sonnenschutz ein. Nachdem sie sich die Sonnenbrille aufgesetzt hatte, begab sie sich ohne weitere Umwege zum Haupthaus. Sie hatte Hunger, und zwar richtig.
    Der Pfad wurde etwas breiter, aber die bisher feste Oberfläche war von der Nässe schmierig geworden, und sie rutschte ein paarmal weg. Eine winzige Antilope scharrte im Unterholz, während die Meerkatzenfamilie sie auf ihrem Weg mit langen Sprüngen von Busch zu Busch begleiteten. Schon aus der Ferne wehte der appetitanregende Duft von Kaffee und gebratenem Speck zu ihr herüber. Sie beschleunigte ihre Schritte.
    Dirk, der allein unter den fedrigen Wedeln einer Palme frühstückte und dabei Notizen machte, winkte ihr zu, als sie die Stufen zur Veranda hinaufstieg. »Hi, Anita, setz dich zu mir … Ich bin gerade erst bei der ersten Tasse Kaffee.« Während er ihr einen Stuhl heranzog, sah er sie forschend an. »Ist etwas vorgefallen? Du siehst bedrückt aus.«
    Â»Ach, es ist wegen Busi«, begann sie und berichtete ihm, wie sie die Zulu gefunden hatte und dass Jabulile nicht aufzufinden war. »Busi hat heute Nacht Löwen gehört … Kannst du dir vorstellen, was sie jetzt durchmachen muss? Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke.«
    Â»Na, die Kleine ist vielleicht nur ausgerissen …«
    Â»Vielleicht«, unterbrach sie ihn. »Vielleicht aber irrt sie allein im Busch umher oder hatte einen Unfall, oder …« Sie stockte, redete dann aber weiter. »Hier gibt es Giftschlangen, deren Gift die Nerven lähmen, und man stirbt bei vollem Bewusstsein. Wusstest du das? Stell dir das nur vor! Und das Gift der Puffotter zersetzt das Blut, macht es flüssig wie Wasser, sodass man innerlich verblutet …« Sie schüttelte sich.
    Â»Hör auf!«, befahl Dirk. »Das hilft Jabulile nicht, und dich macht es nur verrückt. Afrika ist eben nicht der Englische Garten. Hier trachtet dir immer etwas oder jemand nach dem Leben,
und Jabulile ist hier geboren. Sie wird das wissen. Wie Kira. Die Kleine bewegt sich im Busch, als wäre sie eine Kreatur der Wildnis. Mit Jabulile wird es nicht anders sein. Willst du Spiegelei oder Rührei?«
    Â»Rührei«, stotterte sie überrumpelt. »Mit Speck.«
    Bis auf einige Bemerkungen über die Ereignisse des Morgens, aßen sie vorwiegend schweigend. Drei junge Meerkatzen unterhielten sie mit ihren Kapriolen, die sich wenige Meter von ihnen entfernt vergeblich bemühten, eine Papaya von ihrem Stiel abzudrehen.
    Â»Wie läuft es mit deiner Schwester?«, fragte Dirk irgendwann, ohne sie dabei anzusehen.
    Anita zerpflückte das Rührei mit der Gabel, hielt dabei ihren Blick gesenkt.»Was hat Maurice dir erzählt? Ihr habt doch lange miteinander geredet.«
    Â»Abgesehen davon, dass sein Vater kein Weißer ist – und das ist ja offensichtlich –, eigentlich nichts.«
    Â»Na, dann weißt du schon das Wesentliche.« Mit großer Konzentration schob sie Eierflocken über den Teller. »Außer, dass mein Vater Cordelia nach Strich und Faden verprügelte, als er herausbekam, dass sie schwanger war, und das von einem Schwarzen, und dass er dann auf ihren schwarzen Liebhaber geschossen und ihn schwer verwundet hat, um anschließend die Polizei auf ihn zu hetzen, die ihn fast totprügelte und dann verschleppte. Außer, dass Cordelia ihn nie wieder gesehen hat und meine Eltern sie zwingen wollten, das Baby abzutreiben, und als sie sich weigerte, sie zu guter Letzt ohne einen Pfennig verstoßen haben. Und außer, dass ich mit alledem einfach nicht fertigwerde, weißt du alles.« Ihre Stimme zitterte. Ihr Rührei war nur noch gelber Matsch.
    Fassungslos starrte er sie sekundenlang an. »Ist das wahr?«
    Erschrocken sah sie hoch. »Verdammt, hab ich das etwa laut gesagt?« Sein Gesichtsausdruck sagte ihr, dass sie das tatsächlich
getan hatte. »Ich kann nicht darüber reden«, sagte sie schroff. »Tut mir leid, dass mir das rausgerutscht ist.« Sie