Jenseits von Timbuktu
Dusche. Er beraubte einen Bougainvilleenzweig auf der Veranda aller Blüten und streute sie auf die Betten, überlegte, ob er dazu ein paar Kerzen anzünden sollte, entschied sich aber dagegen. Sie würden in der Hitze, die kaum nachgelassen hatte, bald schmelzen, was nicht sehr romantisch
wäre. In Windeseile stellte er sich in seinem Badezimmer unter die Dusche. Zwei Badezimmer nur für das Elternschlafzimmer zu besitzen war ein Luxus, der in Südafrika â auÃerhalb der Townships â eher Standard war. In einer Luxus-Lodge wie Inqaba war es das ohnehin. Natürlich hatten auch die Kinder ihr eigenes Badezimmer, und dann gab es noch eine Gästetoilette. Das sorgte für gröÃtmögliche Privatsphäre für Jill und ihn, etwas, was er besonders genoss, wenn er sich an seine Junggesellenunterkünfte vor der Zeit mit Jill zurückerinnerte.
»Alles in Ordnung mit den Kindern?«, rief er gedämpft, als auch nebenan die Dusche abgestellt wurde.
»Alles bestens. Beide schlafen.«
Erfreut hörte er, dass Jill nicht mehr so niedergeschlagen klang. Schnell drehte er das Wasser ab, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und ging ins Schlafzimmer.
Der Wein war hervorragend, der Käse exzellent, und als Jill sich langsam entspannte, wurde es für beide noch eine wirklich wunderbare Nacht.
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Anita lag, nur mit Slip und Hemdchen bekleidet auf ihrem Bett. Die Klimaanlage hatte sie ausgestellt und den Deckenventilator eingeschaltet, der jetzt in trägen Umdrehungen die feuchte Wärme, die durchs offene Fenster strömte, verwirbelte. Myriaden von Mücken und ein riesiger, schön gezeichneter Nachtfalter flatterten auÃen ans Fliegengitter. Sie schloss die Augen und horchte in die weiche Dunkelheit hinaus.
Das Sirren der Zikaden versetzte die Luft in Schwingungen, der hohe Sopran der Baumfrösche eröffnete Afrikas Nachtkonzert, die Ochsenfrösche stimmten ihren vollen Bass an, ein Pavian bellte, und bald stieg ein vielstimmiger Chor in den sternenübersäten Nachthimmel.
Stevie Wonders Lied schimmerte im Raum. Anita lächelte und lieà sich auf einem warmen Strom von Gefühlen dahintreiben.
Irgendwann schlief sie ein, und in dieser Nacht wanderte sie durch Träume von Licht und Hoffnung. Zum ersten Mal seit langer Zeit.
Vielleicht hatte Afrikas Zauber etwas damit zu tun.
Vielleicht.
14
D er Gesang der afrikanischen Vögel war meistens nicht so melodiös wie der der europäischen, und morgens herrschte oft eine ziemliche Kakophonie von Zikadengefiedel, Affengeschrei und Vogelstimmen, und allen voran die schrillen TrompetenstöÃe der Hadidahs. Trotz ihres herrlich schimmernden Gefieders hatte sich Anita bisher wegen ihres infernalischen Geschreis nicht für die hübschen Ibisse erwärmen können.
Der erste zarte, orangefarbene Schleier färbte den östlichen Himmel, als auch an diesem Morgen drei dieser gänsegroÃen Vögel auf der Balustrade von Anitas Bungalow landeten. Und schrien. Lustvoll und durchdringend. Als die Tür aufflog und die Bewohnerin armefuchtelnd erschien, strichen sie spöttisch lachend zum nächsten Haus davon. Ihr Ziel hatten sie erreicht. Anita war wach.
Verschlafen tappte sie zur kleinen Küchenzeile und stellte den Wasserkocher an. Jetzt brauchte sie einen wirklich starken Kaffee. Während der Kocher aufheizte, nahm sie eine kurze, lauwarme Dusche.
Zehn Minuten später zog sie einen der Korbsessel heran, lieà sich hineinfallen und legte die Beine auf die Balustrade. Der Kaffee war stark und süÃ, und nach einer Weile klärte sich ihr Blick. Das Kreischen der Hadidahs schallte aus der Ferne über die Palmwipfel, Zikaden schrillten, Affen bellten, und irgendwo sang ein kleiner Vogel. Eintönig, klagend, irgendwie herzerweichend. Sein Gesang schwoll an, brach ab, begann von Neuem, und erst allmählich ging ihr auf, dass das kein Vogel war, sondern ein Mensch, der weinte, eine Frau der Stimmlage nach zu
urteilen. Mit einem Ruck schüttelte ihre Lethargie ab, sprang auf, lief über die Terrasse, die Stufen hinunter und zielstrebig auf das Geräusch zu.
Es war eine Frau. Eine Zulu mit glänzend brauner Haut und zarten Gliedern. Sie saà auf dem Boden, Rücken und Kopf an einen Baumstamm gelehnt, ein Bein ausgestreckt, das andere angewinkelt darübergelegt. Ihr blau gemustertes Baumwollkleid war zerdrückt und verschmutzt. Die Arme
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