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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Schwärze auf, und jedes Mal überfielen sie so irrsinnige Kopfschmerzen, dass sie schleunigst die Augen schloss und sich wieder unter die Oberfläche sinken ließ.
    Aber so sehr sie sich auch sträubte, irgendwann musste sie sich damit abfinden, dass sie in die Wirklichkeit zurückkehrte, dass ihr Schädel vor Schmerzen zu platzen drohte und dass ihre Umgebung fürchterlich stank. Langsam kehrte ihr Bewusstsein zurück. Gedanklich fühlte sie an ihrem Körper hinunter, über den Rumpf, die Arme, zu den Beinen und den Füßen. Sie wackelte mit den Zehen und stellte fest, dass die funktionierten. Mit einem Husten, das eher wie ein Krächzen klang, setzte sie sich auf und öffnete mühsam ihre Augen. Und erschrak bis ins Mark, denn sie konnte nichts sehen. Gar nichts.
    Entsetzt untersuchte sie ihre Augen. Verletzt fühlten sie sich nicht an. Sie spürte keine Wundschmerzen und trug auch keine Augenklappen oder so etwas, aber gleichgültig, wie sehr sie sich anstrengte, um sie herum herrschte weiter undurchdringliche, angsterregende Schwärze. Sie konzentrierte sich auf ihren Tastsinn, streckte behutsam die Hände vor und befühlte den Boden, benutzte ihre Fingerspitzen zum Sehen. Er war hart, nicht aus Holz, aber auch nicht aus Stein, und er war nicht glatt, sondern rau, mit Sandpartikelchen, trockenen Grashalmen und Blättern verschmutzt. Sie zerbröselte etwas zwischen Daumen und Zeigefinger.
Schnupperte. Es stank. Nach verrottetem Gemüse, klebrig, ziemlich faulig, nach verdorbenen Nahrungsmitteln. Und Urin. Ekelerregend. Sie zog eine Grimasse und atmete nur noch flach durch den Mund, was aber auch nicht viel half. Der Gestank blieb bestialisch und legte sich auf alle Geruchsnerven.
    Inzwischen war sie völlig im Jetzt angekommen. Sie konnte zwar immer noch nichts sehen, aber auf einmal hörte sie etwas. Schnelles Atmen, ganz flach, kurze Atemzüge. Sehr leise. Ihr Puls hämmerte. »Hallo?«, wisperte sie. »Ist da jemand?«
    Ein scharfer Atemzug wie ein Schluchzer. Dann war wieder Stille. Doch jemand war anwesend, das spürte sie.
    So leise, wie es ihr möglich war, kroch sie über den Boden in die Richtung des Geräuschs, eine bebende Hand vorgereckt, um vor Hindernissen rechtzeitig gewarnt zu sein. Unvermittelt trafen ihre Finger auf etwas Warmes, Weiches, das mit einem Schreckenslaut zurückzuckte. Auch sie war erschrocken, zwang sich aber, ein weiteres Mal hinzulangen. Ihre Fingerkuppen glitten über Haut, Nase, Mund und Augenpartie. Ihre Berührung löste ein erneutes Wimmern aus. Rasch zog sie ihre Hand zurück. Es war ein Gesicht, ein Gesichtchen, so klein, dass es einem Kind gehören musste.
    Â»Hallo, ganz ruhig, ich tue dir nichts«, flüsterte sie auf Englisch. »Wer bist du? Mein Name ist Anita.«
    Angespanntes Schweigen umfing sie. Dann vernahm sie einen zitternden Atemzug. »Anita? Die von Bungalow eins?« Eine zarte, etwas raue Mädchenstimme, die von einem kleinen Mädchen.
    Verblüfft setzte sich Anita auf die Hacken. »Woher weißt du das?« Suchend streichelte sie über das Gesichtchen, landete in dichtem, warmem Haar und merkte, dass sich die Kleine in ihre Handfläche schmiegte. »Sag mir deinen Namen …«
    Â»Kira.«
    Â»Kira! Jills Tochter! Um Gottes willen, wie kommst du denn hierher?«

    Â»Dieser Schweinemann hat mich entführt.« Empörung verlieh Kiras Stimme Kraft, unterdrückte das Schluchzen.
    Â»War es ein großer Mann, dem der linke Arm bis zum Ellenbogen fehlt?«
    Â»Ja, genau der. Er hat mir wehgetan … Und ich habe ziemlich Angst … Es ist so dunkel … Ich dachte, meine Augen sind kaputt … Dann bin ich immer an der Wand langgekrabbelt, aber da war keine Tür. Dann habe ich versucht, mich hinzustellen, und bin mit dem Kopf gegen eine Klappe gestoßen … Wenn man ganz stark dagegendrückt, kann man etwas Licht sehen …«
    Anita hätte Kira vor Erleichterung am liebsten geküsst »Wo hat er dir wehgetan?«
    Â»Er hat mich gefangen und weggetragen und so fest gedrückt, dass ich keine Luft mehr gekriegt habe. Ich konnte nicht mal schreien … dann habe ich ihn getreten, richtig fest, Daddy und Mami haben mir das beigebracht … Dann weiß ich nichts mehr … Plötzlich war ich hier … Mein Kopf tut ziemlich weh«.
    Â»Gut gemacht! Dass du ihn

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