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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Kind war zurückgekehrt. Eine andere Erklärung gab es nicht. Gleichzeitig vernahm sie eine Art Jaulen … ein Wimmern, wie von einem kleinen … Tier? Ihr Kopf flog herum.
    Â»Hast du das gehört, Liz?«
    Liz schüttelte stumm den Kopf. Zögernd machte Jill ein paar Schritte dorthin, wo sie meinte, das Geräusch gehört zu haben. Wilson wollte energischer vorgehen, aber sie hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. Unter der schwarzen Plastikplane, die unter den Guavenbäumen ausgebreitet war, ragte ein abgestorbener Ast hervor, der leicht zitterte. Ein Stück weiter war eine dicke Beule in der Plane.
    Â»Kira?«, flüsterte sie. »Schatz?«
    Wieder wimmerte jemand, direkt vor ihr. Sie beugte sich hinunter, packte den Ast und schälte dann die Plane behutsam zurück. Hellbraune Locken, große braune Augen. Tränenverschmiertes Gesicht.
    Â»Lucy«, wisperte sie, und ihr Herz brach.
    Liz stieß Jill blindlings zur Seite, stürzte auf Lucy zu, zerrte sie
unter dem Plastik hervor und riss sie in ihre Arme. »Herrgott, was ist passiert, Liebling?«
    Lucy zitterte so, dass ihre Zähne wie Kastagnetten aufeinanderschlugen. »Kira«, stammelte sie.
    Â»Lucy, Liebes, was genau ist passiert?« Jill schwitzte und ihr Kreislauf spielte verrückt, aber sie brachte ihre Angst und Ungeduld so weit unter Kontrolle, dass ihre Stimme ruhig klang.
    Lucy war kalkweiß, Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie schluckte, und Jill wartete geduldig. »So ein Mann hat sie gehijackt«, stieß die Kleine endlich hervor. Das Wort ging ihr leicht über die Lippen. Hijacking sagte man in Südafrika zu Entführung, und hier waren sie Alltag. »Einer, der nur einen Arm hat.«
    Â»Len Pienaar«, krächzte ihre Mutter. Ihr war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. »Wo war das, Lucy?«
    Lucys Farbe wechselte von Kalkweiß zu Tiefrot und verblasste dann fleckig. Mit beiden Händen wischte sie sich die Augen aus und hinterließ dabei rote Erdspuren auf ihren Wangen. Es war offensichtlich, dass sie Angst hatte.
    Jill klammerte sich an dem Ast fest, den sie Lucy abgenommen hatte. »Ich weiß, dass Kira sich die weißen Löwen von Lias Farm ansehen wollte. Seid ihr dorthin gelaufen?«
    Ein hastiges Nicken und lautes Schluchzen waren die Antwort. Jill konnte sich leicht vorstellen, was Lucy jetzt vor sich sah. Konnte sich vorstellen, welche Angst das Mädchen gehabt haben musste, als Pienaar über sie hergefallen war, als er Kira weggeschleppt hatte.
    Â»War der Mann allein? Der mit dem amputierten Arm?«
    Wieder ein heftiges Nicken, dass Lucys Haare flogen. »Er hat uns gesehen, als wir durch den Zaun geschaut haben … Dann hat er uns gerufen … und gesagt, er würde uns über den Zaun heben, dann könnten wir uns die Löwen ansehen. Er hat Kira als Erste hinübergehoben, und dann …« Die Kleine schaute jämmerlich
drein. »Dann hat er sie festgehalten und ist mit ihr weggelaufen«, flüsterte sie. »Und sie hat furchtbar dabei geschrien.«
    Jill bekam vor Herzjagen kaum Luft. »Hast du gesehen, was er mit ihr gemacht hat?« Sie musste ihre Zähne aufeinanderpressen, damit sie nicht auch klirrten.
    Lucy holte tief Luft. »Nicht so richtig, aber Kira hat ihn getreten und gebissen … und gekratzt. Dann muss er sie geschlagen haben, denn dann war sie plötzlich ruhig …« Verzweifelt sah sie Jill an. »Ich konnte nichts machen. Wirklich! Ich bin, so schnell ich konnte, nach Hause gelaufen … Ich hatte Angst, deswegen habe ich mich versteckt.«
    Â»Mein Baby«, murmelte ihre Mutter. »Mein armes Baby …«
    Jill streichelte Lucy über die Wange. »Ist schon gut, Lucy, du hättest nichts machen können. Du hast keine Schuld. Überhaupt keine. Schuld hat nur dieser Mann. Kiras Papa und ein paar Freunde werden gleich hier sein, und dann werden wir diesen Mann finden und mit ihm reden …«
    Sie bewegte reflexartig ihre Finger. Seit sie in den Anfängen von Inqaba aus Geldmangel mit Musa zusammen die schwere Gartenarbeit selbst gemacht hatte und dabei mannstiefe Pflanzlöcher ausgehoben und Felsbrocken herumgewuchtet hatte, besaß sie in Fingern und Armen genug Kraft, um ohne Weiteres jemand erwürgen zu können, wie sie einmal im Scherz ihrer Freundin Angelica gegenüber bemerkt hatte. Ihre Hände schlossen

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