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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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getreten hast, meine ich. Du bist wirklich ein mutiges kleines Mädchen.«
    Â»Ich bin nicht mehr klein.«
    Â»Entschuldige. Ich kenne mich mit Kindern noch nicht so richtig aus. Wieso warst du überhaupt hier in der Nähe?«
    Kira kuschelte sich an sie und erzählte, dass sie ihren Leibwächter satthabe, dass es bei Lucy meistens lustig zugehe, ihr Bruder Gordie ziemlich cool sei und dass sie und Lucy Löwen gucken wollten. »Die haben hier nämlich weiße Löwen. Mit blauen Augen, sagt Lucy. Ist das nicht rattenscharf? Die wollte ich unbedingt sehen, und da haben wir den Manager gefragt, ob er uns mit dahinnimmt, wo die Guaven wachsen, weil Lucy gesagt hat, dass man da über den Zaun klettern kann. Und das haben wir gemacht.«
    Das war der Augenblick, der bei Anita wieder die Erinnerung an die wütenden Löwen hinter dem Laufgitter freilegte, an die
gnadenlosen Augen, die Furcht einflößenden Reißzähne. Und an das Gebrüll. In Gedanken hörte sie wieder das erderschütternde Röhren dieser Großkatzen. Ihr Magen zog sich zusammen.
    Â»Aha«, sagte sie. »Aber beißen tun Löwen auch, ob sie weiß oder gelb sind.«
    Ein raues, ganz und gar entzückendes Kichern. »Nee, die fressen dich gleich, die beißen nicht erst.«
    Â»Natürlich, du hast recht«, erwiderte Anita mit abwesender Stimme, während die Puzzlestücke der letzten Minuten, bevor bei ihr das Licht ausgegangen war, auf einmal an ihren Platz fielen. Die Kinder auf dem nackten Betonboden im Hof. Ihre jämmerliche Verfassung. Ihre Angst.
    Â»Auf diese entzückenden Kinder warten liebende Adoptiveltern, die die armen Kleinen hier aus dem Dreck holen und ihnen ein menschenwürdiges Leben bieten …« Len Pienaars klebrige Stimme.
    Eine unglaubliche Wut auf diesen Verbrecher war in ihr hochgekocht, das wusste sie noch, und plötzlich erinnerte sie sich mit größter Genugtuung daran, dass auch sie ihn getreten hatte, genau zwischen die Beine. Und dass er vor Schmerzen gestöhnt hatte. Dann war alles schwarz geworden. Die Tatsache, dass sie sich die Vorgänge so genau ins Gedächtnis rufen konnte, sagte ihr, dass sie glücklicherweise wohl keine Gehirnerschütterung davongetragen hatte. Das zumindest war eine Erleichterung. In ihrer Situation brauchte sie alle ihre Sinne zu hundert Prozent. Das Wichtigste war jetzt, Kira und dann die anderen Kinder von hier wegzuschaffen. Dazu müsste sie allerdings wissen, an welchem Ort sie sich befand.
    Â»Weißt du, warum es hier so stinkt?«, fragte sie Kira leise. »Was für ein Raum das ist?«
    Kiras Kopf lag an ihrer Brust. Sie antwortete mit einem Flüstern. »Ich glaube, es ist eine Abfallgrube. Eine aus Zement oder so. Kann sein, dass die hier Küchenabfälle, Gemüse und so, reinschmeißen,
das gibt es auf Inqaba auch … Und Ratten gibt’s hier, und die pinkeln, und dann stinkt’s halt …«
    Fast hätte Anita bei der pragmatischen Bemerkung laut gelacht. Kira Rogge war schon ein sehr besonderes kleines Mädchen. Aber sie wollte nicht riskieren, die Aufmerksamkeit ihrer Kerkermeister zu erregen, wollte nicht, dass die merkten, dass sowohl Kira als auch sie wieder völlig bei Bewusstsein waren. Glücklicherweise machte auch die Kleine nicht den Eindruck, als hätte sie eine Gehirnerschütterung erlitten. »Tut dein Kopf noch sehr weh? Ist dir schlecht oder schwindelig?«
    Sie spürte, dass Kira den Kopf schüttelte. »Schlecht und schwindelig ist mir nicht, aber mein Kopf hat eine Beule, und die tut weh, wenn man draufdrückt.«
    Halleluja, dachte Anita und befühlte ihre eigene Stirn. Schließlich trafen ihre Fingerspitzen am hinteren Bereich der Schläfe auf eine schmerzende Wölbung von der Größe eines halben Hühnereis. Also hatte sie der Schlag dort getroffen. Len konnte nicht zugeschlagen haben, der war mit den Schmerzen zwischen seinen Beinen beschäftigt gewesen, woraus zu schließen war, dass er mindestens einen Helfer hatte. Vermutlich diesen Riaan. Außerdem war da noch ein Schwarzer gewesen. Jacob hieß er, fiel ihr ein.
    Dumpfes Gemurmel brach plötzlich in ihre Überlegungen. Es kam näher, bis es direkt über ihnen zu sein schien. Sie sah hoch und zog Kira instinktiv fester an sich. Es knirschte, ein lang gezogenes metallenes Quietschen stach ihr in den Ohren, und gleichzeitig

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