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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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annahm, dass ein so alter Mensch ziemlich schwerhörig war. »Sprechen Sie Englisch«, wiederholte sie die Worte mit ihrer ausgebildeten Schauspielerstimme und artikulierte sie überdeutlich. »Brauchen’s Hilfe?«, setzte sie hinzu und streckte eine Hand nach der Frau aus. Sie fand, dass man sie hier nicht so allein lassen konnte.
    Als Antwort kreischte die Alte los und wollte vom Baum springen. Dabei verhedderte sie sich jedoch oder griff daneben, so genau war das nicht zu erkennen. Jedenfalls verhakte sich ihr Fetzengewand an einem Ast, sodass sie nun vollkommen hilflos kopfüber festhing. Sie kreischte los, wie als würde sie abgestochen.
    Â»Jessas, ich komm ja schon«, rief Marina sehr aufgeregt, machte einen Satz auf die Alte zu und legte ihr die Arme fest um den Körper, um sie vom Ast zu lösen.
    Die Zulu wand sich und trat nach ihr und schleuderte ihr in ihrer Sprache einen Fluch nach dem anderen entgegen, so erschien es Marina. Sie verstand natürlich kein einziges Wort. Deshalb lächelte sie nur ständig an und redete beruhigend auf Bayerisch auf sie ein, während sie ihren kräftigen Griff um den dürren Körper nicht einen Millimeter lockerte. Nicht umsonst quälte sie sich jeden Morgen im Fitnessstudio ab, außerdem bestand das verhutzelte Weiblein nur aus Haut und Knochen und
war so leicht wie ein kleines Kind. Auf einmal riss das Gewand, und die Alte fiel Marina, spitze, hysterische Schreie ausstoßend und wild dabei strampelnd, in die Arme.
    Â»Na, na«, murmelte Marina und packte noch fester zu. »Ganz ruhig. Ich bring Sie ins Haus. Da gibt’s Hilfe. Sie werden sehen, gleich ist alles gut.«
    Verdreckt und durchnässt, die zappelnde Alte an sich gepresst, kämpfte sie sich schließlich zur Restaurantveranda vor.
    Jill, die nach der ersten kurzen Erkundungstour um die Lodge herum mit den anderen bei einem eiligen Frühstück saß, entdeckte sie durchs tropfende Blättergewirr als Erste. Beunruhigt bemerkte sie den gehetzten Ausdruck der Schauspielerin, abgesehen davon, dass die sich offenbar im Schlamm gewälzt hatte. Besorgt, dass sich ihr Gast verletzt haben könnte, sprang sie auf und lief ihr über die Stufen entgegen.
    Â»Marina, meine Güte … wir wollten gerade jemand zu dir schicken«, rief sie schon von Weitem. »Unser Telefon ist gestört, und Handy-Empfang gibt es auch nicht … Verdammt, was …?«, stotterte sie. Völlig verdattert starrte sie auf die kreischende Zulu in Marinas Armen.
    Â»Die alte Dame hier hab ich auf einem Baum gefunden«, rief die Schauspielerin eifrig. »Ich glaub, sie hat’s nicht mehr so im Kopf und braucht Hilfe. Weißt du, wer sie ist?«
    Â»Die alte Lena«, krächzte Jill. »Du heiliger Strohsack … Wie … woher …?« Sie fing an zu glucksen. »Weißt du … weißt du, dass alle hier … außer mir … fürchterliche Angst vor der haben … dass sie gestandene Männer zu wimmernden Häufchen reduziert … Du bist die Erste … Oje …« Sie fiel, von einem Lachanfall geschüttelt, auf den nächstbesten Stuhl.
    Marina musterte Jill befremdet. »Wieso sollte ich Angst vor diesem Weiblein haben? Sie saß auf einem Baum, eine Schlange kroch auf ihr herum – eine richtige, lebendige, ich konnt’s zuerst gar net glauben – und sie kam mir echt ein bisschen deppert vor.
Dann hat sie angefangen zu fauchen wie eine Katze, und gezittert hat sie zum Erbarmen«. Marina schaute die Alte mitleidig an. »Und da hab ich mir gedacht, es wäre besser, wenn ich sie hierherbringe, damit sie Hilfe bekommt. Erst hab ich gedacht, dass sie so etwas wie ein Geist ist … gar nicht menschlicher Natur …«
    Â»Ein Geist ist sie nicht«, stieß Jill hervor und wurde wieder von einem Lachen in der Kehle gekitzelt. Es gelang ihr aber, sich so weit zu fassen, dass sie zusammenhängend weiterreden konnte. »Das ist die alte Hexe Lena. Ich kenne sie, seit ich denken kann, und genauso lange versucht sie alles, mich und die Familie von Inqaba zu verjagen.«
    Â»Eine Hexe.« Ungläubig schaute die Schauspielerin auf das Menschenbündel in ihren Armen. »Das kann ich nicht glauben. Das ist eine alte Frau, die dringend Hilfe braucht. Das kann doch jeder sehen.«
    Â»Ach wo. Lena ist eine Sangoma, das heißt, sie ist

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