Jenseits von Timbuktu
eine spirituelle Heilerin der Zulu. Eine Zauberin, wenn du so willst. Sie wollte dich vermutlich einfach ordentlich erschrecken, wie sie es oft mit meinen Gästen macht.«
Marina lachte ungläubig. »Mich? Erschrecken? Wie merkwürdig. Wer hat den Angst vor so einer?« Sie betrachtete die alte Sangoma voller Mitgefühl.
»Oh, auÃer mir und Nils wohl alle hier. Sie kommuniziert mit ihren Vorfahren und opfert ihnen Tiere im Auftrag von Hilfesuchenden, denen sie eine Menge Geld dafür abknöpft. Das verleiht ihr groÃe Macht über ihre Stammesgenossen, und die nutzt sie weidlich aus. Wer ihr in die Quere kommt, den belegt sie mit den fürchterlichsten Flüchen, die oft eine grausige Wirkung haben. Vor lauter Furcht, an dem Fluch sterben zu müssen, tun die Verfluchten natürlich alles, was Lena von ihnen verlangt. Obendrein hat sie allerlei Tricks drauf, um den übersinnlichen Nebel, der sie umwabert, noch dichter werden zu lassen. Sie muss bis ins Mark schockiert sein, wie du reagiert hast.«
Marina blickte noch immer zweifelnd drein. »Wo lebt sie? Hat sie irgendwo eine Hütte? Jemand, der sich um sie kümmert?«
»Lena lebt überall und nirgendwo, schon immer. Sie ist wie ein Schatten, der durch den Busch schwebt. Erst kürzlich habe ich ihr neuestes Versteck in einer Höhle unter der Brücke am Fluss gefunden â¦Â«
»Höhle! Unter einer Brücke! So eine gehört ins Altersheim mit anständiger Pflege.« Marina war sichtlich entrüstet. »Wo kann ich sie absetzen? Sollte ich sie nicht doch vielleicht hinlegen?«
»Du kannst sie herunterlassen. Ich versichere dir, dass sie ganz prima allein gehen kann. Du wirst es erleben. Wenn nicht, verspreche ich, sofort ihre Enkelin anzurufen. Dr. Kunene. Sie ist Ãrztin und leitet ihr eigenes Krankenhaus.«
Mit zweifelndem Gesichtsausdruck lieà Marina die alte Lena heruntergleiten. Kaum hatte die Sangoma Boden unter den FüÃen, rappelte sie sich eilig auf und huschte ein paar Meter weg. Geduckt wirbelte sie herum, zischte zwei, drei Worte und spuckte Jill vor die FüÃe. AnschlieÃend fixierte sie Marina mit schwelenden Augen, unterlieà es aber, sie ebenfalls anzuspucken. Stattdessen ratterte sie ein paar Stakkatosätze auf Zulu herunter. Einen Lidschlag später war sie mit dem Busch verschmolzen.
Marina starrte ihr fasziniert nach. »Sie hat keine FuÃabdrücke hinterlassen â¦Â«
»Unsinn, der Schlamm ist so flüssig, dass sie gleich wieder verschwunden sind. Glaub mir, sie hat keine übersinnlichen Kräfte«, entgegnete Jill heftiger als beabsichtigt. Lena war es wieder einmal gelungen, in ihr jene Beklemmung auszulösen, die sie schon als Kind bei dem Anblick der alten Hexe überfallen hatte. »Entschuldige, dass ich laut werde, Marina, aber wenn es um die alte Lena geht ⦠Sie treibt mich wirklich auf die Palme ⦠entschuldige mich, ich muss weg â¦Â«
»Welch eine skurrile Figur«, murmelte Marina vor sich hin. »Absolut filmreif ⦠Ich muss unbedingt mit Flavio reden â¦Â«
Jill schnappte den Namen auf und drehte sich noch einmal um. »Wie geht es Flavio?«
Marina presste mit beiden Händen die Nässe aus ihrem Pferdeschwanz, der ihr nass und traurig über den Rücken baumelte. »Schlecht geht es ihm. Wir brauchen einen Arzt, beziehungsweise er braucht ein anderes Antibiotikum. Wenn es allerdings tatsächlich ein Virus ist, hätte das ja eh keine Wirkung. Auf jeden Fall hat ihn das, was immer es auch ist, voll im Griff. Sind die StraÃen frei? Können wir ihn zu einem Arzt bringen?«
»Nein«, sagte Jill »Im Augenblick kommen wir leider nicht aus Inqaba raus, und keiner kommt natürlich herein, und einen anderen Weg gibt es nicht. Vielleicht, wenn die Wassermassen etwas abgelaufen sind. Und es nicht wieder regnet. Aber ich habe noch einiges in unserer Notfallapotheke vorrätig. Sobald die Telefonverbindungen wieder funktionieren, rufe ich meine Ãrztin an und bespreche es mit ihr.« Dann erklärte sie der Schauspielerin, dass alle auÃer Thabili, Jonas und ein paar Wachen ins Gelände ausschwärmen würden, um nach Kira zu suchen, und brachte ihre Bitte vor. »Wäre es möglich, dass du auch heute bei Luca bleibst?«
Die Antwort kam prompt. »Natürlich, gern. Ich mag Kinder, und dein Sohn ist wonnig. Nur muss ich vorher
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