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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Gehegezaun, der jetzt im spitzen Winkel von der Hofeinfriedung nach Nordosten tief ins Gelände führte.
    Der Weg war schmal und uneben, oft nichts als eine Schneise im Gestrüpp. Parallel dazu glänzte links noch immer der Maschendraht durch die Zweige. Ab und zu hatte sie freie Sicht auf das Areal, meist wurde dieses aber von Büschen verdeckt. An einer Stelle, wo ein morscher Baum zusammengebrochen und eine Lücke entstanden war, blieb sie stehen und spähte durch die metallenen Maschen. Die heiße Luft schimmerte wie bei einer Fata Morgana über dem weiten Areal der Löwen, das in einiger Entfernung zu einer flachen, spärlich mit Sträuchern bewachsenen Anhöhe anstieg. Ein Tümpel glitzerte im Licht. Die Hügelkuppe
war abgetragen worden, sodass ein Plateau entstanden war, auf dem jetzt drei Löwen dahingestreckt im Schatten einer Schirmakazie dösten. Eine der Raubkatzen dehnte und streckte sich grunzend, rollte sich auf den Rücken und schlief mit in die Luft gestreckten Pfoten prompt ein. Aus der Entfernung wirkten sie wie harmlose Plüschtiere.
    Ein Schauer überlief sie, aber sie verbot sich jeden Gedanken an das Schicksal, das die Kinder und sie vielleicht erwartete, und schwor sich, es Pienaar so schwer wie möglich zu machen. Entschlossen drehte sie sich zu ihrem Peiniger um. »Ohne die Kinder gehe ich keinen Schritt weiter«, zischte sie.
    Statt sie einer Antwort zu würdigen, versetzte ihr Ein-Arm-Len einen Stoß von hinten. Sie fiel unbeholfen vorwärts, konnte aber einen Sturz gerade noch verhindern. Das Spielchen wiederholte sich mehrmals, bis sie so hart hinknallte, dass sie im ersten Augenblick befürchtete, sich beim Abfangen die rechte Hand gebrochen zu haben. Mit schleppenden Schritten bewegte sie sich, so langsam wie möglich, vorwärts, immer darauf gefasst, dass Pienaar sie von hinten stieß. Der Pfad war schmaler geworden, war von Geröll übersät, das die Fluten aus der Erde gewaschen hatten. Sie musste aufpassen, nicht in die tiefen Furchen, wo das Wasser sich seinen Weg gegraben hatte, zu treten oder auszurutschen. Ohne Schuhe eine Tortur.
    Es passierte, als sie von einem Stein abglitt. Sie knickte um, griff blindlings nach Halt und erwischte den Zaun, der das Revier der Löwen begrenzte. An sich wäre nichts passiert, wären ihre Finger nicht zwischen die Maschen geraten. Dahinter, auf der Innenseite des eigentlichen Zauns, verlief der elektrische Draht, und sie fasste direkt hinein.
    10 000 Volt trafen sie.
    Der Strom schoss als flüssiges Feuer ihre Nervenbahnen entlang, bis in die kleinste Verästelung. Der Schmerz war entsetzlich, schlimmer als jeder andere, den sie je gefühlt hatte, schlimmer,
als sie es sich je hätte vorstellen können. Ihr Körper zuckte und krampfte, die Beine gaben unter ihr nach, und sie brach zusammen.
    In der letzten Sekunde, bevor ein schwarzer Vorhang über sie fiel, sah sie Frank vor sich, an Deck ihres Segelbootes, lachend, das Haar windverweht, die hellblauen Augen funkelnd vor Lebensfreude.
    Â 
    Der nächste Sinneseindruck war ein gemeines Geräusch. Harsch, abgehackt, laut. Der Vorhang lüftete sich ein wenig, und das Geräusch, immer noch so dumpf wie durch eine Wand von Watte, wurde zu einem Lachen, das jetzt abrupt aufhörte. Eine grobe Stimme drang an ihr Ohr.
    Â»Shit«, vernahm sie. »Ich hab dem Idioten Maurice doch gesagt, dass der elektrische Zaun zu nah an dem anderen gezogen ist. Hat er wohl nicht ordentlich zugehört. Da muss ich wohl noch mal mit ihm reden.« Wieder das Gelächter. »Der Zaun ist eine Sonderanfertigung. Hat richtig Wumm, oder?«
    Erstaunt, dass sie überhaupt noch hören konnte, schüttelte sie angeschlagen den Kopf. Merkwürdigerweise erholte sie sich ziemlich schnell und konnte sich gleich darauf sogar aufsetzen. Auch ihre Augen funktionierten einwandfrei, was sie allerdings sofort bedauerte, weil der erste Anblick, der sich ihr bot, ausgerechnet Len Pienaar war. Er hockte ein paar Schritte entfernt auf einem sandfarbenen Felsen und beobachtete sie aus halb geschlossenen Augen. Er stocherte mit einem Grashalm zwischen den Zähnen herum und gluckste breit grinsend in sich hinein, als spielte sich etwas wahnsinnig Amüsantes vor ihm ab. Jetzt verstand sie, warum jemand einen Mord begehen konnte.
    Um sich auf die Beine zu ziehen, griff sie wahllos hinter sich, um einen Halt zu finden. Fast

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