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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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ihnen gestoßen war, und neues Leben funkelte aus ihren Augen. Nyasha sang ein paar Takte, und die anderen antworteten mit einer Art Kanon, bis ihre Stimmen sich zu einem jubelnden
Chor vereinigten. Chipo tanzte als Erste, mit kleinen Schritte anfänglich, dann wurden ihre Bewegungen schneller, wilder, ihr Gesang wurde fröhlicher, lauter. Die anderen fielen ein, und bald wirbelten sie singend durch den Raum. Anita saß neben Kira und Nyasha, wiegte sich selbstvergessen und hätte am liebsten mitgetanzt, hatte aber Angst, sich vor den Kindern lächerlich zu machen. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie sich anbiedern wollte. So klatschte sie also nur im Rhythmus in die Hände und hatte dabei Tränen in den Augen.
    Doch die Stimmung wurde jäh zerrissen. Zunächst allerdings nahm keiner es wahr, dieses Grollen, das sich unter ihnen in der Erde auszubreiten schien. Als es sich jedoch zu einem Röhren steigerte, zu einem wütenden, abgehackten Gebrüll, verstummten die Kinder auf einen Schlag und blieben schreckensstarr stehen.
    Â»Ibhubesi elikulu …!«, flüsterte eins der Mädchen.
    Â»Ein großer Löwe«, übersetzte Kira. »Ein sehr großer Löwe«, sagte sie dann, als das Gebrüll erneut das Haus erschütterte und selbst die Zikaden zum Schweigen brachte.
    Der Schlüssel wurde ins Schloss gerammt, die Tür flog auf, und Pienaar stand als dicker Scherenschnitt im blendenden Licht. »Hört auf der Stelle mit dem Gejaule auf!«, schrie er. »Die Löwen werden verrückt. Kapiert? Thula!«, donnerte er. Die Kinder zuckten eingeschüchtert zusammen.
    Â»Hören Sie auf, den großen Macker zu markieren«, fuhr Anita ihn, ohne zu überlegen, an. »Sehen Sie nicht, wie verängstigt die Mädchen sind?« Es fiel ihr viel leichter, sich gegen ihn zu stellen, wenn es nicht um sie selbst, sondern um die Kinder ging.
    Â»Gut so, dann kommen sie nicht auf dumme Ideen. Sieh zu, dass die Gören leise sind, sonst passiert was!« Damit knallte Pienaar die Tür wieder hinter sich zu, und kurz darauf verlosch auch die trübe Birne.

    Die Mädchen weinten leise. Anita ließ sich langsam an der Wand herunterrutschen. Ihre Sicht war von der Helligkeit draußen noch gestört, und für sie herrschte nichts als Schwärze. Sie konnte buchstäblich die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Da es den Kleinen vermutlich ebenso erging, würden sie wenigstens nicht mitbekommen, dass auch ihr die Tränen übers Gesicht liefen, dass auch sie völlig mutlos war. So sehr sie sich den Kopf zerbrach, sie fand einfach keinen Ausweg aus ihrer Situation. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit, und sie sah sich um. Die ihr zugewandten Kindergesichter wirkten wie geisterhaft bleiche Schemen mit schwarzen Löchern als Augen. Energisch wischte sie sich die Nässe von den Wangen und setzte ein Lächeln auf, auch wenn es für die Kleinen kaum sichtbar sein konnte.
    Â»Alles wird gut«, wisperte sie gegen jede Überzeugung.
    Â»Wann?«, fragte Kira.
    Anita schluckte und streichelte Jills Tochter tröstend über die Wange, fühlte sich aber so erbärmlich hilflos wie eine Fliege im Wasser. Ein lang gezogenes Quietschen enthob sie der Antwort. Sie löste sich von Kira und stand auf. Offenbar verließ jemand den Hof. Vermutlich Maurice, dachte sie und schrie los, so laut sie konnte. »Maurice? Hol uns hier raus, verdammt!« Jeder auf dem Hof musste sie hören können, aber als Antwort erhielt sie nur Schweigen. »Du jämmerlicher Feigling!«, schrie sie. »Weißt du, was dieser Mistkerl mit uns vorhat? Das kannst du doch nicht zulassen.« Natürlich bekam sie auch jetzt keine Antwort. »Grüß meine Schwester schön von mir! Sag ihr, dass ich sie dafür zur Verantwortung ziehen werde.« Auch darauf kam nichts als Schweigen.
    Draußen sprang der Motor von Maurice’ Fahrzeug an, heulte auf, dann wurde das Geräusch leiser und erstarb bald vollends. Sie presste beide Hände auf den Mund, um nicht vor Frustration loszuschreien.

    Kira schien ihre Verzweiflung zu spüren. »Alles wird gut«, flüsterte sie.
    Anita sank vor ihr in die Knie, nahm sie in die Arme und vergrub ihr Gesicht in ihrem weichen Haar. Ihre Schulter wurde nass von Kiras Tränen. Sie schlang ihre Arme fester um die Kleine und merkte gleichzeitig, dass auch die

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