Jenseits von Timbuktu
schloss sich der Zaun an. Der elektrische Draht, der innen in etwa zwanzig Zentimetern Abstand in drei verschiedenen Höhen verlief, war deutlich zu erkennen.
Durch die Metallstreben strich ihr Blick ins Gebiet der Löwen, über einen mit spärlichem Busch bestandenen Bereich bis zum Felsplateau auf dem flachen Hügel. Aber sie konnte keine der groÃen Katzen entdecken. Vermutlich waren die so gut getarnt, dass sie einfach nicht imstande war, sie im flirrenden Licht auszumachen. Unbehaglich schaute sie noch einmal genauer hin. Dort hinter dem Busch, war das nicht die Kontur einer liegenden Raubkatze? Der schwarze Fleck zwischen den Grasspitzen neben der Akazie, der sich ständig von rechts nach links bewegte ⦠die Schwanzspitze eines Löwen? Die Vorstellung, dass die Löwen sie ohne ihr Wissen im Visier haben könnten, verursachte ihr ein höchst unangenehmes Kribbeln in den Haaren.
Sie presste ihr Gesicht an die Türstäbe und sog Luft von drauÃen ein. Statt der erhofften Erfrischung wurde sie von einer Saunaluft getroffen, geschwängert mit Raubtiergestank und einem Geruch, den sie anfänglich gar nicht erkannte. Dann fiel es ihr ein. Es roch wie bei einem Schlachter. Nach Blut. Frischem Blut. Ein Schauer kräuselte die Haut ihrer nackten Arme.
Sie wandte der Tür den Rücken zu und musterte das Innere der Hütte. Als ein Haus mochte sie es nicht bezeichnen. Es gab nicht viel zu sehen. Ein Betonboden, der an vielen Stellen gerissen war, nackte Wände aus Zementblöcken und darüber das Rieddach, das in groÃen Abständen von frei liegenden, rohen Balken getragen wurde. Ab und zu hörte sie ein Rascheln, nahm sie huschende Bewegungen im lichten Schatten wahr. Sie spähte argwöhnisch nach oben. Geckos vielleicht. Hoffentlich. Aber auch Schlangen lebten dort, wo sich Geckos wohlfühlten.
Eine Tür rumpelte. Sie fuhr herum und erwartete, dass Pienaar hereinkommen würde, aber es wurde ihr schnell klar, dass sich das Gittertor zum Hof geöffnet hatte. Vermutlich lief es auf Rollen und wurde elektrisch betätigt. Sie trat vom Fenster zurück, als Pienaar erschien, dicht gefolgt von Zungu, der einen grob gewebten Sack, mehrere Leisten, einen Hammer und Nägel trug. Wie der Zulu es so schnell vom Hof hierher hatte schaffen können, war ihr schleierhaft, obwohl ihr jetzt einfiel, dass sie vor ein paar Minuten unterbewusst ein schwaches Motorengeräusch vernommen hatte, es aber als Irrtum oder eher Wunschdenken abgetan hatte. Die Tatsache, dass es wohl einen wesentlich kürzeren Weg gab, einen, der mindestens mit einem Quad befahrbar sein musste, behielt sie im Hinterkopf.
Auf Pienaars gebellte Anweisung trat Zungu an die Fensteröffnung, faltete den Sack doppelt und nagelte ihn mit der Leiste vors Fenster. Im Raum wurde es dunkler, und Anita war die
Sicht nach drauÃen verwehrt. Zu ihrer bodenlosen Erleichterung entdeckte sie jedoch, dass Zungu schlampig gearbeitet hatte. An einer Stelle war das Leinen unter der Leiste herausgerutscht. Sie wartete, bis er sich entfernt hatte, ehe sie sich daranmachte, das Gewebe so weit zurückzuschieben, dass der Spalt groà genug war, um es ihr zu erlauben, einen Teil des Hofs zu überschauen.
Pienaar stand am Maschendraht und fixierte mit vorgestrecktem Hals einen Punkt in einiger Entfernung. Befremdet folgte sie seinem Blick und entdeckte nun eine Löwin, die sich auf dem Felsplateau mit hörbarem Grunzen in den Schatten einer Akazie warf. Ihre Lefzen waren blutbesudelt. Ein zweites Weibchen folgte ihr. Auch ihr Maul war rot vor Blut.
Sichtbar kochend vor Wut, fuhr der Bure herum und brüllte Zungu an. »Welcher Idiot hat die Löwen ohne meine Erlaubnis gefüttert?«
»Weià nicht«, antwortete Zungu und betrachtete vorübergehend seine FuÃspitzen. »He, Boss«, rief er dann aufgeregt und deutete hinüber zu den Raubkatzen. »Der hat da was. Zwischen seinen Pfoten.«
Pienaar starrte angestrengt hinüber zu den GroÃkatzen. »Was heiÃt, er hat was? Wovon redest du? Ich kann nichts erkennen.«
Eine der Löwinnen hieb spielerisch mit ihrer Vordertatze, worauf ein metallisch glänzendes Objekt durch die Luft flog. Es fiel auf den Boden und rollte den Hang der Anhöhe hinunter. Die Löwin setzte nach und schlug mit der Pfote danach. Das Ding rollte weiter und landete im trockenen Gras, vielleicht fünfzehn Meter vom Zaun
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