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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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ihren Hof verlassen hatte und auch Kiras Kreischen nicht mehr zu hören war, saß Tiki Magwaza lange auf der Bank vor ihrer Hütte und tat nichts. Das heißt, sie dachte nach. Über die Kinder, über die weiße Frau und über Kira Rogge. Über Kiras Mutter auch. Über ihren Mann Africa. Dabei hüpften ihre Gedanken hierher und dorthin, denn im Nachdenken war sie nicht sehr geübt.
    Ihren Hof in Ordnung halten, das konnte sie. Hühner schlachten und rupfen, Mais anpflanzen, den Gemüsegarten wässern und harken. Das machte ihr sogar Spaß, auch wenn sie das Wasser aus dem Fluss holen musste, der einen Kilometer entfernt dahinfloss, und das wirklich eine sehr schwere Arbeit war, die ihr regelmäßig Rückenschmerzen bescherte. Eine grasgedeckte Bienenkorbhütte in einem Tag bauen konnte sie ebenfalls, und als Bierbrauerin hatte sie sogar einen gewissen Ruf.
    Aber ein abstraktes Problem im Kopf zu lösen, eines, das sie nicht sehen konnte, nicht anfassen, fiel ihr schwer. Ihre Gedanken waren wie Fliegen, surrten mal hierhin, mal dahin, blieben nirgendwo lange genug, dass es ihr gelang, sie einzufangen. Ihre Schulbildung war löchrig, weil ihre Eltern ihre Hilfe auf dem elterlichen Hof gebraucht hatten und sie oft den Unterricht versäumt hatte. So war das eben in Zululand. Aber sie war entschlossen, auch diese schwierige Aufgabe zu meistern.
    Sie legte die Stirn in Falten, schubste abwesend einen Stein mit ihren nackten Zehen hin und her und summte dabei ein altes Kinderlied ihres Volkes. Vorwärts und rückwärts rollte der
Stein, ihr Kopf begann zu schmerzen, ihr Herz wurde schwerer und immer schwerer. Als die Sonne so hoch gestiegen war, dass die Strahlen ihr die Haut versengten, stand sie auf.
    Â»Africa«, rief sie. Zwei Mal. Weil sie keine Antwort bekam, marschierte sie schnurstracks zu dem alten Indaba-Baum, wo sich die Männer der ansässigen Familien versammelten, um Probleme zu bereden. Das dauerte für gewöhnlich lange und benötigte einen stetigen Nachschub an Bier. Wie erwartet, saß ihr Mann zusammen mit drei weiteren Stammesgenossen im Schatten des alten Baums, rauchte und trank. Ein Radio dudelte. Sie ging zu ihm.
    Â»Africa, wir müssen etwas bereden. Komm bitte mit zu unserem Umuzi.«
    Â»Tiki, ich hab Wichtiges zu tun, das siehst du doch.«
    Â»Pah«, machte sie abfällig. »Ja, das sehe ich. Was ich dir sagen muss, ist aber auch sehr wichtig, und ohne dich kann ich das Problem nicht lösen. Dazu brauche ich meinen Mann.« Tiki war schon viele Jahre mit Africa zusammen und wusste, wie man ihn packen konnte.
    Africa stand seufzend auf. »Jungs, ich komme gleich wieder. Meine Frau hat ein Problem, und kann es ohne mich nicht aus der Welt schaffen«, verkündete er. Mit großer Geste bürstete er sich Blätter und trockenes Gras von dem khakifarbenen Overall, den er von Inqaba hatte mitgehen lassen. Gemächlichen Schrittes folgte er seiner Frau.
    Innerhalb des Staketenzauns ihres Umuzis angekommen, zog Tiki ihn zu der Bank, auf der sie zuvor allein gesessen hatte, und drückte ihn auf den Sitz. Dann nahm sie neben ihm Platz. »Africa, wir müssen Nkosikazi Jill sagen, dass ihre Tochter hier war und jetzt woanders ist.« Sie sah ihn mit einem bohrenden Blick an. »Wo ist das Mädchen jetzt, Africa?«
    Africa wurde wütend. Das wurde er immer, wenn Tiki ihn in die Enge trieb, und wenn er dann wirklich laut wurde, gab sie
manchmal klein bei. Das versuchte er jetzt. »Das geht dich nichts an, das ist Männersache!«, brüllte er.
    Aber Tiki sprang auf und stemmte die Arme in die Hüften. Ihre dunklen Augen sprühten. »Ach, ich soll nicht sehen, dass dieser Mann, der nur einen Arm hat, hier einen Haufen kleiner Mädchen anschleppt? Ich soll für sie kochen und auf sie aufpassen und hinterher die vollgekackte Hütte säubern … Und das geht mich nichts an? Africa Magwaza, du machst mich sehr böse. Was will dieser Mlungu mit den Mädchen? Wissen ihre Eltern, dass sie hier sind? Sie haben geweint und hatten große Angst. Das konnte ich sehen.«
    Africa hatte ihr den Rücken zugewandt. Er zog hastig an seiner selbst gedrehten Zigarette und stieß schweigende Rauchwolken aus.
    Â»Africa, rede mit mir!«
    Er knurrte, paffte, knurrte wieder, lag deutlich im Widerstreit mit sich selbst. Tiki hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete ihn

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