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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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rückwärts aus der Parkposition auf die Straße, und Dirk konnte gerade noch in letzter Sekunde auf die Bremse treten, sonst wären sie mit dem Ferrari zusammengestoßen. Geistesgegenwärtig fuhr er in die frei gewordene Parklücke, stellte den Motor ab, griff sich seinen Camcorder und sprang mit der Kamera im Anschlag aus dem Auto. Sein unter Dutzenden von Spielfilmen verschütteter Reporterinstinkt war augenscheinlich endgültig hellwach.
    Die beiden Sportwagen standen sich brüllend wie zwei wütende Kampfstiere gegenüber. Blaue Abgaswolken quollen aus den Auspuffrohren, die den Durchmesser eines großen Ofenrohrs hatten. Die Fahrer hingen aus den Fenstern und schrien sich gegenseitig an, wobei sie immer wieder aufs Gas traten und die Motoren hochjagten.
    Â»Gleich steigen sie aus und trommeln sich mit den Fäusten auf die Brust«, murmelte Anita. »Wie Tarzan.«
    Jill kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »Das hier kann in null Komma nichts eskalieren, und ich habe keine Lust dazwischenzugeraten. Wir sollten schleunigst weiterfahren.« Sie ließ das Fenster herunter. »Komm zurück«, rief sie Dirk zu, aber ihre Aufforderung zeigte keinerlei Wirkung auf ihn. Jill musterte ihn scharf. »Der ist wie Nils. Wie ein Bluthund, wenn er eine Story riecht«, murmelte sie Anita zornig zu. »Dann vergisst er alles andere, besonders seine Sicherheit, und in diesem Fall auch unsere. Ich hole ihn jetzt zurück, wenn nötig mit Gewalt.« Sie stieg aus.
    Mittlerweile waren sämtliche Hüttenbewohner zusammengelaufen und drängten sich aufgeregt um den Schauplatz. Einige stützten sich auf die Kühlerhaube des Geländewagens, ein paar Kinder und Halbwüchsige pressten ihre Gesichter an den Scheiben platt und lugten neugierig in jede Ecke. Ein etwas älterer Bursche, der eine Zigarettenkippe lässig zwischen den Lippen hielt, zeigte auf Anita, sagte etwas, lachte laut und winkte dann seine Kumpel heran. Sie kamen näher, und der mit der Zigarettenkippe klopfte ans Autofenster. Sein Gesicht mit den harten Augen war nur Zentimeter von Anitas entfernt, lediglich durch die Glasscheibe getrennt. Anita wich so weit wie möglich zurück, aber auch vor den Scheiben hinter ihr drängten sich Zuschauer.
    Eine diffuse Angst kroch in ihr hoch. Körperliche Aggression war sie nicht gewohnt, wusste nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Sie konnte sie überhaupt nicht einschätzen. »Warte, ich komme mit«, rief sie Jill hinterher und zog am Türgriff. Die zwei Halbwüchsigen, die an der Beifahrertür gestanden hatten, lachten und rissen sie für sie auf. Gesenkten Kopfes kletterte sie heraus.
    Jill hob eine Hand. »Bleib im Auto, das ist sicherer.« Sie hatte Deutsch gesprochen.
    Aber Anita stand schon draußen und sah sich im Nu von den Jugendlichen umringt. Sie blickte in einen See aus dunklen Gesichtern mit funkelnden schwarzen Augen. Viele riefen ihr irgendetwas zu, was sie natürlich nicht verstand, aber sie nahm an, dass sie um Geld angebettelt wurde. Sie zögerte. Jill hatte sie davor gewarnt, Bettlern, auch wenn es Kinder waren, etwas zu geben.
    Â»So lernen die nur, wie leicht es ist, auf diese Weise an Geld zu kommen, und gehen nicht mehr zur Schule«, hatte die Eigentümerin Inqabas auf ihre Frage geantwortet, warum sie das mit so besonderem Nachdruck sage. »Es gibt mehrere Organisationen, die sie von der Straße holen, ihnen Unterkunft, Essen und Schulunterricht
bieten, aber sie hauen immer wieder ab und gehen betteln. Und später irgendwann fragen sie dann nicht mehr, sondern nehmen sich das, was sie wollen, und eines Tages haben sie dabei eine Waffe in der Hand.«
    Anita hatte sich das alles angehört, aber es als Übertreibung abgetan. Jetzt aber hielt sie zitternd vor innerer Spannung Ausschau nach Waffen in den Kinderhänden. Mühsam bahnte sie sich einen Weg durch die johlenden Jugendlichen, immer wieder verlegen den Kopf schüttelnd und abwehrende Worte murmelnd, wenn eine Hand vor ihrer Nase herumfuchtelte, bis sie endlich Jill erreichte und sich absurderweise bei ihr einigermaßen sicher fühlte.
    Indessen filmte Dirk ungerührt weiter. Er ging in die Hocke und zoomte aus drei Metern Entfernung auf das Gesicht des Ferrari-Manns. Plötzlich gab dieser Gas. Der rote Wagen machte einen Satz und knallte in den Kühlergrill des Lamborghinis. Funken stoben, Blech

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