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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Klimaanlage arktisch anmutenden Kälte im Wageninneren durchgeschwitzt. »Passiert so etwas häufiger?«
    Â»Ich bemühe mich grundsätzlich, derartigen Situationen aus dem Weg zu gehen«, wich Jill nach kurzem Zögern aus. »Mit ziemlicher Sicherheit sind die Typen arbeitslos und frustriert bis
zum Schreien, weil sie keinerlei Perspektive haben, da haben sie das getan, was sie meist tun: getrunken oder Gras geraucht und Dampf abgelassen. So ist das hier eben. Die Arbeitslosigkeit unter der schwarzen Landbevölkerung ist exorbitant, und weil die meisten eine sehr lückenhafte Schulbildung haben, finden sie auch in den Städten nichts … daran hängt alles, nicht wahr? An der Schulbildung«, setzte sie nach einer Weile des Schweigens leise hinzu.
    Dirk hatte kaum zugehört, er konzentrierte sich auf das Straßengeschehen. Seine Miene war grimmig. Aus Zeiten seiner Kriegsreportagen waren ihm potenziell gefährliche Situationen zur Genüge bekannt. »Ich muss in Ruhe arbeiten können und habe nicht die geringste Lust, mich mit Typen anzulegen, die besoffen oder bekifft sind, aus welchem Grund auch immer. Mir tun die armen Schweine auch leid, aber ich bin hier, um einen Job zu machen. Ich werde einfach zusätzliche Bodyguards von der Servicefirma anfordern.«
    Â»Sich mit denen anzulegen wäre auch nicht anzuraten«, sagte Jill. »Die haben mit Sicherheit alle ein Messer in der Tasche oder Schusswaffen. Oder beides. Zusätzliche Bodyguards wären eine gute Idee.«
    Anita drehte sich im Sitz zu Jill um. »Wie steht es mit der Sicherheit der Touristen während der Weltmeisterschaft? Ich habe so viel über die Regenbogennation gehört, von der Abschaffung der Apartheid, dass alle Menschen, einerlei welcher Hautfarbe sie sind, in Südafrika jetzt gleich sind und dass alle eine große liebende Familie bilden. Scheint wohl doch noch nicht so weit zu sein, oder? Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass alle nur einen Schalter im Kopf umgelegt und eine vollständige Wende vollzogen haben. Sowohl die Weißen als auch die Schwarzen.«
    Â 
    Bei Anitas Worten verdüsterte sich Jills Miene zusehends. Sie hatte diese Frage bis zum Erbrechen satt, weil sie ihr fast jeden
Tag von irgendeinem Gast gestellt wurde und weil sie sich jedes Mal angegriffen fühlte.
    Ja, natürlich ist es nicht ungefährlich, hätte sie Anita am liebsten geantwortet. Wir sind hier in Afrika. Es gibt Schlangen, die tödliches Gift haben, Haie, die zu den gefährlichsten der Welt zählen, giftige Fische, menschenfressende Großkatzen, Krokodile, die in den Flüssen lauern und einen unversehens unter Wasser ziehen können, und es gibt Menschen, die andere Menschen umbringen, nur weil diese etwas besitzen, was sie nicht haben. Nichts ist gemäßigt, die Kontraste hier sind so hart, dass sie wie Messerschnitte schmerzen. Arme hier sind so arm, wie es sich kein Europäer vorstellen kann, und Reiche unvorstellbar reich.
    Aber meine Heimat ist eines der schönsten Länder der Erde, mit Landschaften, die so grandios sind, dass man auf die Knie gehen und dem Schöpfer danken möchte, dass es so etwas gibt. Und es gibt Menschen, unzählige wunderbare Menschen, die alles tun werden, damit die Touristen einen unvergesslichen Urlaub verleben werden und sicher vor jeglicher Gefahr sind. Aber natürlich gibt es wie für alles im Leben keine Garantie dafür.
    Â»Wir freuen uns trotzdem schon alle wahnsinnig auf die Weltmeisterschaft, wir sind unglaublich stolz auf unser Land«, sagte sie stattdessen und schaute hinaus auf die vorbeifliegende Landschaft. Dass die Weltmeisterschaft hinter einer Mauer von Zigtausenden Polizisten und Militärpolizisten stattfinden würde, dass jeder der Spieler und Offiziellen ständig von mehreren Bodyguards umringt sein würde, erwähnte sie nicht. Ihr bereitete das alles großes Unbehagen.
    Anita schien sofort zu begreifen, dass sich Jill angegriffen fühlte und ihr dieses Thema unangenehm war. »Tut mir leid  – die Frage hörst du wohl oft, besonders von arroganten Ausländern, die alles besser wissen, oder?«
    Jill musste lachen. »Du hast recht, aber dich würde ich nicht in diese Kategorie einstufen. Und natürlich ist die Frage auch
berechtigt. Die Antwort ist, wir tun alles, was wir können, um die Weltmeisterschaft friedlich über die Bühne zu bringen.

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