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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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anderem weil er genau wusste, wie sehr das meiner liberal gesinnten Mom gegen den Strich gehen würde. Dolphin Key war die einzige Gemeinde auf Isla Huesos, die diese Anforderungen erfüllte. Der Eingang wurde vierundzwanzig Stunden am Tag bewacht, die dicken Mauern waren vier Meter hoch. Ohne eine Leiter kam man hier nicht rein.
    Jemanden wie John konnten Wachposten und Mauern allerdings nicht aufhalten. Aber warum sollte er sich im Regen vor mein Zimmerfenster stellen, wenn er doch selbst gesagt hatte, ich solle ihn gefälligst in Ruhe lassen? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich ihn einen Idioten genannt hatte.
    Warum hatte ich mir überhaupt die Mühe gemacht, mich bei ihm zu entschuldigen? Er hatte mir weit schlimmere Dinge angetan als ich ihm. Warum konnte ich ihn nicht einfach hassen, wie er es verdiente?
    Vielleicht weil John genauso war wie Moms geliebte Vögel – ein wildes Tier. Er konnte nichts für das, was er war. Ich würde nie zu ihm durchdringen. Wie Dad sagen würde: Wieso sich dann die Mühe machen, es überhaupt zu versuchen?
    Außerdem hatte ich, indem ich weggelaufen war, »die Regeln« gebrochen, von denen John so geheimnisvoll gesprochen hatte. Mit Sicherheit würde ich dafür bestraft werden müssen, höchstwahrscheinlich von ihm, vielleicht auch von den Furien, die er erwähnt hatte. Man kann dem Tod nicht entrinnen. Nach meinem Unfall hatte ich alles darüber gelesen. Eines Tages wird er einen unweigerlich holen.
    Als ein paar Sekunden später der nächste Blitz den Garten erhellte, war die geheimnisvolle Gestalt verschwunden. Vielleicht war sie auch nie da gewesen. Vielleicht war mal wieder diese etwas übereifrige Fantasie mit mir durchgegangen, derer mich alle bezichtigten.
    Ich zog den Vorhang wieder vor und legte mich aufs Bett. Wie bescheuert. Eigentlich sollte ich mich prima fühlen. Ich hatte die Halskette zurückgegeben, die ich unter Vortäuschung von Gefühlen, die gar nicht da waren, angenommen hatte. Ich hatte alles gesagt, was ich geglaubt hatte, sagen zu müssen. Hatte mich buchstäblich von allem Ballast befreit. Wie Mom fing ich hier nochmal ganz von vorne an.
    Und John hatte meine Entschuldigung sogar angenommen! Etwas mürrisch vielleicht, aber er hatte sie akzeptiert. Auch er würde jetzt wieder nach vorne schauen, wie er mir eindrucksvoll demonstriert hatte, als er die Halskette gute hundert Meter weit von sich geschleudert und mir gesagt hatte, ich sollte ihn von jetzt an in Ruhe lassen.
    Als ich später noch mal zum Badezimmerfenster ging, um nach meinem Fahrrad zu sehen, und feststellte, dass es mittlerweile abgeschlossen war und jemand sogar die Batterielichter ausgeknipst hatte, sagte ich mir, dass das zweifellos mein Onkel Chris oder vielleicht auch Alex gewesen sein musste. Bestimmt hatten sie das in aller Stille für mich erledigt, bevor sie nach Hause gefahren waren. Nie und nimmer konnte es John gewesen sein. Warum sollte er so etwas Nettes für mich tun, wo er mich doch so sehr hasste und mich auf keinen Fall jemals wiedersehen wollte?
    Warum also fühlte ich mich, als ich wieder ins Bett kroch, schlechter anstatt besser? Ich spürte kein bisschen Erleichterung oder wenigstens …
    Dunkle Vorahnungen, das war es, was ich spürte. Seit ich zum ersten Mal den Fuß auf diese Insel gesetzt hatte, begleitete mich dieses Gefühl, diese Anspannung in meinem Nacken, als ob jeden Moment etwas passieren würde, etwas Furchtbares.
    Und etwas Furchtbares war bereits passiert. Ich hatte ihn gesehen. Es war vorüber!
    Warum zum Teufel lag ich nur die ganze Zeit wach? Bestimmt nicht wegen dem Donner. Es war beinahe …
    Nein, ausgeschlossen. So bescheuert war nicht mal ich.
    Als würde ich das vertraute Gefühl der Kette um meinen Hals vermissen. Was war nur los mit mir? Warum in aller Welt funktionierte Moms Wir-fangen-nochmal-ganz-von-vorne-an-Programm bei mir nicht?
    Als ich am nächsten Morgen in Alex’ Auto stieg und mich bei ihm bedankte, fragte er mich, wofür.
    »Mein Rad«, sagte ich. »Hast du es nicht abgesperrt, als du gegangen bist? Und das Batterielicht ausgemacht?«
    »Äh, nein«, antwortete er. »Als ich gegangen bin … das war, kurz nachdem du zurückgekommen bist, weil deine Mom sagte, du wärst gerade nach oben gegangen. Ach, und danke übrigens fürs Gutenacht sagen. Und danke auch, dass du einfach so verschwunden bist und mich mit Oma allein gelassen hast. Das war echt super. Dein Rad? Das war schon abgeschlossen, und die Lichter waren auch

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