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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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aus. Ich dachte, du hättest das gemacht.«
    »Nein«, erwiderte ich. Mir war plötzlich kalt, und das, obwohl wir mit heruntergekurbelten Fenstern fuhren. Die Klimaanlage in Alex’ Schrotthaufen, wie Oma das Auto meines Cousins zu nennen pflegte, war ausgefallen, und draußen waren es schon fast dreißig Grad. »Habe ich nicht.«
    »Hmm«, meinte Alex, »das ist komisch. Aber das war noch nicht mal das Komischste …«
    Plötzlich drückte er auf die Hupe, weil ein paar Touristen sich mitten auf die Straße gestellt hatten, um Fotos von einem Banyanbaum zu machen.
    »Hallo, geht’s noch? Die glauben wohl, sie wären hier in Disneyland! Vielleicht könnte denen mal jemand erklären, dass es auch Leute gibt, die hier wohnen!«, brüllte er und drückte noch ein paar Mal auf die Hupe.
    »Und was war das Komischste?«, fragte ich, nachdem die Touris fluchtartig die Straße verlassen hatten und Alex wieder nach Herzenslust aufs Gaspedal steigen konnte. Ich wusste nicht, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte, aber genauso wenig wusste ich, ob ich sie nicht hören wollte.
    »Ach ja. Da lagen überall Flammenbaum-Blütenblätter in eurer Einfahrt. Und zwar vor dem Sturm. Der Wind kann sie also nicht dorthin geblasen haben. Ich fand es nur seltsam, weil in eurer Straße ja gar keine Flammenbäume wachsen. Wie sind sie also dorthin gekommen? Aber … wie auch immer.« Er schaltete das Radio an. »Bereit für den ersten Schultag?«
    Ich schluckte. »Nein.«

Nicht weiß ich, wie ich mich hineingewunden,
    So war ich ganz von tiefem Schlaf berückt,
    Zur Zeit, da mir der wahre Weg entschwunden.
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Erster Gesang
    M om hatte mich für ein landesweit anerkanntes Programm eingeschrieben, das sich »Neue Wege« nannte. Das mit der landesweiten Anerkennung war auch eine von Dads Bedingungen gewesen. Andernfalls hätte er mich, wie er gesagt hatte, in ein Internat in der Schweiz gesteckt. Das Programm war für Schüler gedacht, die »in Schwierigkeiten« steckten: Jungs wie Alex, dessen Vater gerade erst auf Bewährung aus dem Knast entlassen worden war und dessen Mutter seit ihrer Geburt als »vermisst« galt, weshalb er sein gesamtes Leben bei seiner Oma verbracht hatte, die stolze Besitzerin des einzigen Wollgeschäfts auf Isla Huesos war. Der Laden hieß »Stricken mit Stil«. Und, ja, der Laden war so schlimm, wie sich der Name anhört.
    Dieses Programm war aber auch für Mädchen wie mich gedacht, die gestorben und wiederauferstanden waren und seitdem einen kleinen Knacks weghatten. Nach dem Motto: »Die psychische Störung, die unser Programm nicht heilen kann, ist noch nicht erfunden worden.« Das war zwar nicht der offizielle Slogan, hätte es aber sein können.
    »›Neue Wege‹ hat den allerbesten Ruf«, hatte Mom mir den ganzen Sommer über vorgebetet. »Du gehst in eine ganz normale Klasse wie alle anderen Schüler auch. Nur dass du außerdem noch Supervisionsstunden bei Sozialarbeitern bekommst, die eine Zusatzausbildung in kognitiver Verhaltenstherapie und psychologischer Beratung haben. Die wissen wirklich, was sie tun, Pierce. Ich hätte dich nicht dort eingeschrieben, wenn ich nicht der festen Überzeugung wäre, dass sie dir dort helfen können.«
    Ach ja?, dachte ich, sagte es aber nicht.
    Hätte Mom mich nicht für dieses Programm angemeldet, hätte mich die einzige Highschool auf Isla Huesos auch gar nicht genommen, und zwar wegen der Sache mit Mr. Mueller.
    Aber wie dem auch sei. Da die einzige Alternative ein Schweizer Internat für verhaltensauffällige Kinder reicher Eltern gewesen wäre, blieb mir wohl nicht viel anderes übrig. Also seid mir willkommen, Neue Wege!
    Wenigstens waren die Sozialarbeiter dort, vor allem Jade, die für mich zuständig war, wirklich nett und hatten alles versucht, mir den Einstieg so leicht wie möglich zu machen. Und das, obwohl sie wussten, was ich auf meiner alten Schule mit einem Mitglied des Lehrkörpers angestellt – oder angeblich angestellt – hatte.
    Jade schien während unserer Vorgespräche nie auch nur das kleinste bisschen Angst zu haben. Sie sah mir immer direkt in die Augen, lächelte oft und bot mir sogar rote Lakritzschlangen aus der Dose auf ihrem Schreibtisch an. Außerdem war mir aufgefallen, dass sich der Diamant an meiner Halskette kein einziges Mal verfärbte, wenn ich bei ihr war. Er schimmerte einfach in einem beruhigenden Hellgrau, das mich ein wenig an das Fell eines Windhundes erinnerte.
    Als ich dann

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