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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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Körper verkrampfte sich, als sie mich berührte. Und das nicht nur, weil uns die Bibliothekarin einen missbilligenden Blick zuwarf, die unter anderem angepisst war, weil wir uns in dieser strikten Ruhezone unterhielten und ich ihre Bibliothek noch dazu als Kantine missbrauchte.
    »Ja«, sagte ich, »das weiß ich.«
    Wollte sie mich auf den Arm nehmen?
    Jade nickte. »Gut. Denk bitte immer dran. Und in der Zwischenzeit amüsier dich einfach, okay? Ich weiß, du hast ’ne Menge durchgemacht, aber du darfst das alles nicht so eng sehen. Es ist schließlich nur die Schule.«
    Ich verzog mein Gesicht zu einem Lächeln. »Klar.«
    Vielleicht war Jade verrückt und nicht ich. Auch wenn sie und die anderen Mitarbeiter des Neue-Wege-Programms darauf bestanden, dass es so etwas wie »verrückt« und »normal« überhaupt nicht gebe und solche Begriffe »therapeutisch nicht sinnvoll« seien.
    »Ich werd’s versuchen.«
    »Okay«, meinte sie und stand auf. »Schön, dass wir gesprochen haben. In fünf Minuten ist die Mittagspause zu Ende. Vergiss nicht, nach der Schule in meinem Büro vorbeizuschauen. Ich habe Nachschub von den Lakritzschlangen geholt, den roten, die du so gern magst. Ach, und bevor ich’s vergesse: Um zwei ist eine Versammlung in der Aula. Die solltest du nicht verpassen, das wird monumental.«
    Sie zwinkerte mir noch einmal zu, dann war sie weg. »Monumental« war im Gegensatz zu »verrückt« und »normal« ein Wort, das Jade und ihre Kollegen ständig benutzten. Aber vor allem Jade.
    Monumental. Verrückt. Normal. Pass auf dich auf, sonst gehst du drauf .
    Mir schien, ich würde hier entweder schwimmen oder untergehen. Untergehen kannte ich schon, also dachte ich mir, ich könnte es diesmal ebenso gut mit Schwimmen versuchen.
    Als ich in der Aula ankam, war der Lärm ohrenbetäubend. Der Raum hatte zweitausend Sitze und war randvoll mit Schülern, die sich nach der langen Sommerpause das erste Mal wiedersahen: Mädchen mit langen, an den Spitzen weiß lackierten Fingernägeln (dieser Look war oben im Norden total out, hatte ich zumindest von den anderen Mädels an der Westport Academy for Girls gehört, bevor ich rausgeflogen war), die sich kreischend in die Arme fielen; tätowierte Typen mit Kopftüchern, die, anstatt Hallo zu sagen, erstmal ihre Fäuste gegeneinanderschlugen und sich dann abklatschten, wobei manche noch um einiges rabiatere Begrüßungsrituale hatten …
    Es waren auf jeden Fall so viele Schüler, die sich alle gleichzeitig so laut unterhielten, dass ich spontan versucht war, mir die Stöpsel wieder in die Ohren zu stecken, um nicht verrückt zu werden. Oder was auch immer das therapeutisch sinnvolle Wort dafür war.
    Aber das konnte ich natürlich nicht. Ich hatte mir geschworen, mich dieses Jahr wirklich reinzuhängen. Wenn ich das nicht tat, wie sollte ich dann verhindern, dass ein weiteres Mädchen starb, auf das ich eigentlich hatte aufpassen wollen?
    Ich hatte ja schon beim letzten Mal vollkommen versagt.
    Andererseits, man wusste ja nie. Hier hatte ich immerhin einige Vorteile auf meiner Seite, die ich in Connecticut nicht gehabt hatte. Zum Beispiel war ich hier nicht unsichtbar, was ich auf meiner alten Schule viel zu lange gewesen war, woran ich dummerweise auch noch selbst schuld war. Aber hier war das anders, denn ein gutaussehender Typ hatte mich tatsächlich bemerkt und mir die Tür zur Aula aufgehalten. Ich hatte es selbst kaum glauben können.
    »Nach dir«, hatte er ganz höflich gesagt.
    Ich war immer noch nicht sicher, worüber ich mehr verwirrt gewesen war: darüber, dass er der Erste war, der an diesem Tag mit mir gesprochen hatte – außer Jade, natürlich –, oder darüber, dass er so wundervoll harmlos-attraktiv aussah wie der Sänger einer Boygroup. Blaue Augen, ein freundliches Lächeln auf den Lippen, hinter denen ein perfektes, strahlend weißes Gebiss hervorblitzte, und eine gesunde Bräune, die im Gegensatz zu den blonden Strähnchen in seinem nussbraunen Haar nicht von regelmäßigen Besuchen im Schönheits-Salon herrührte. Das Ganze wurde abgerundet von khakifarbenen Shorts und einem weißen Polohemd, das seine muskulösen Oberarme gut zur Geltung brachte.
    Unglaublich.
    Kitesurfen, war meine Vermutung. Die Bräune hätte auch vom Segeln kommen können, aber nicht diese Oberarme.
    »Danke«, sagte ich ohne jeden Anflug eines Lächelns.
    Genau in diesem Moment riss der beständig vom Meer her wehende Wind den rosafarbenen Stundenplanzettel aus meiner

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