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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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Chris hatte noch keinen einzigen Besucher gehabt, zumindest nicht, wenn ich zum Mittagessen bei Oma gewesen war, oder um mit Alex und seinem Vater auf der Couch rumzuhängen und schweigend den Wetterkanal zu gucken. Die Sendungen waren eigentlich gar nicht so schlecht. Oft gab es Beiträge über Leute, die um ein Haar in einen Tornado gesaugt worden wären.
    »Ihr beiden«, sagte Oma dann immer, wenn sie nach einem langen Arbeitstag aus dem Wollladen zurückkam. »Ihr seid doch einer wie der andere! Wie könnt ihr dieses Zeug nur trinken? Wisst ihr nicht, dass das schlecht fürs Gehirn ist? Pierce, weiß dein Arzt, wie viele koffeinhaltige Getränke du da jeden Tag konsumierst? Ist mir egal, dass sie zuckerfrei sind. Ich dachte, du solltest kein Koffein trinken; das sagt zumindest deine Mom. Du wirst deinem Vater mit jedem Tag ähnlicher. Und: Christopher, könntest du bitte aufhören, ein so schlechtes Beispiel für deine Nichte abzugeben?«
    Pass auf dich auf, sonst gehst du drauf .
    Doch was der Friedhofsaufseher soeben gesagt hatte, entsprach zweifellos der Wahrheit. Onkel Chris war, ebenso wie meine Mom, an der Highschool sehr beliebt gewesen. Als wir ins Hauptgebäude der IHHS gegangen waren, das jetzt A-Flügel hieß, um mein Übertrittszeugnis aus Westport einzureichen und mich für die Kurse anzumelden, hatte Alex auf einen Glaskasten gedeutet, in dem alle Pokale, Urkunden und sonstigen Auszeichnungen der Schule aufbewahrt wurden. Onkel Chris’ Name stand dort überall. Moms auch, auf Tennis- und Schwimmmedaillen. Opa hatte einiges an Leichtathletik-Wettbewerben gewonnen, und Oma war mehr als einmal Ballkönigin bei diversen Ehrenanlässen gewesen.
    Die Cabreros waren im A-Flügel omnipräsent.
    Außer Alex und mir natürlich.
    Und jetzt stand meine Mom im Büro des Neue-Wege-Programms im D-Flügel, kaute auf ihrer Unterlippe herum und starrte zu Boden … wenn auch nicht auf Mr. Smiths Fransenschuhe, was ich wiederum überhaupt nicht verstehen konnte. Wie konnte sie diese Schuhe übersehen? Wie konnte irgendjemand im Raum auf irgendetwas anderes schauen? Sie waren so unglaublich hässlich.
    Ich lugte hinüber zu der Halskette und meinem Diamanten. Obwohl ich ihn nicht einmal trug, verfärbte er sich bereits. Er sah aus wie ein Bluterguss …
    »Nun«, sagte Tim betont fröhlich in die unbehagliche Stille hinein. »Alexander nimmt ebenfalls an unserem Neue-Wege-Programm teil, und er macht sich ganz hervorragend. Er ist ein toller Schüler.«
    »Ich bin sehr erfreut, das zu hören«, meinte Mr. Smith und schielte über den Rand seines goldenen Brillengestells zu Alex hinüber. Sein Mund mochte zwar »erfreut« gesagt haben, aber seine Augen sagten etwas ganz anderes.
    »Ich bin hier, weil ich etwas von allergrößter Wichtigkeit mit Ihnen zu besprechen habe.« Er drehte sich um und beugte sich über seine Aktentasche, auf der drohend meine Halskette lag.
    Oh nein. Er wusste es. Ich hatte keine Ahnung, woher und wieso, aber er wusste es. Er wusste, dass ich es gewesen war, das mit dem Tor letzte Nacht. Auch wenn es gar nicht stimmte, oder zumindest nicht ganz.
    Mr. Smith hob den mittlerweile gräulich-violetten Diamanten hoch, und ich hörte, wie meine Mom den Atem anhielt. Sie erkannte ihn also wieder. Natürlich tat sie das, schließlich hatte sie ihn mich ständig tragen sehen, während der ganzen chaotischen Zeit nach meinem Unfall, der Scheidung danach und auch an jedem weiteren Tag. Seltsamerweise hatte sie mich kein einziges Mal mehr nach seiner Herkunft gefragt. Sie schien ihn für eine Art Faschingsschmuck gehalten zu haben, zu dem ich eine – wenn auch ungewöhnlich tiefe – Zuneigung entwickelt hatte.
    Jetzt, da sie ihn in den Händen eines anderen sah, sprang ihr Blick sofort zu mir. Eindeutig verwirrt starrte sie mich an.
    Ich hörte meinen Puls bis in die Ohren hämmern und versuchte, ihr mit Blicken zu bedeuten, ja den Mund zu halten.
    Die Wände in dem Büroraum wurden mit einem Mal so rot, als würden Flammenbaumblüten aus ihnen sprießen.
    Sag es nicht , dachte ich und war selbst nicht sicher, ob ich damit Mom oder Mr. Smith meinte. Bitte, sag es nicht. Etwas Schreckliches wird passieren, wenn du es tust …
    Dann legte der Küster meine Halskette beiseite, öffnete seine Aktentasche und holte einen Stapel Zettel hervor. »Ich hatte gehofft, Sie alle würden mir dabei helfen, diese Flyer hier zu verteilen.« Er machte die Runde durch den Raum und drückte jedem von uns einen Packen in die

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