Jenseits
SV « – Schulverweis – und trug eine Krawatte.
»Können wir dann gehen?«, fragte Alex in so ungeduldigem Ton, dass Jade, die mit der Dose Lakritzschlangen in der Hand an der Tür ihres Büros lehnte, in lautes Gelächter ausbrach.
»Wozu die Eile, Kumpel?«, fragte sie und schüttelte die Dose. »Kannst du es nicht erwarten, dich endlich an deine Hausaufgaben zu setzen?«
»Wir wollen ins Queen«, erklärte Kayla und griff nach der Lakritze, nachdem Alex auf Jades Angebot hin nur den Kopf geschüttelt hatte. »Und wir wären gerne dort, bevor die ganzen Horden eintreffen.«
»Ach nein?«, rief Mom mit einem Gesichtsausdruck, den ich nur zu gut kannte. Es war derselbe wie der, den sie zur Schau gestellt hatte, als Jade die Sargnacht erwähnte – was auch immer das war. Ihr typisch verträumt-trauriger Blick, wenn sie an vergangene, unbeschwertere Tage zurückdachte. »Gehen die Kinder nach der Schule immer noch zu diesem Laden gegenüber vom Higgins Beach, um sich dort Eis zu holen?«
»Ja«, antwortete Alex knapp. »Warum wir uns auch so beeilen müssen. Ich brauch schon mehr als einen kleinen Schuss zuckerfreie Lakritze, um meinen nachmittäglichen Heißhungeranfall zu befriedigen.«
Alle lachten … außer Friedhofsaufseher Smith, der die Zeitschrift weglegte und mühsam von seinem Stuhl aufstand.
»An Ihrer Stelle würde ich keine Witze über einen kleinen Schuss machen, junger Mann«, sagte er mit todernster Stimme zu Alex. »Vor allem wenn man bedenkt, wie viel Zeit Ihr Vater im Gefängnis verbracht hat und wofür.«
Das Gelächter verstummte, als hätte eine der Sturmböen der gestrigen Nacht es zum Fenster rausgeblasen.
»Verzeihung«, sagte Mom angespannt und wandte sich Mr. Smith zu. »Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Deborah Cabrero, und das ist meine Tochter, Pierce. Alex ist mein Neffe, und Christopher Cabrero, sein Vater, ist mein Bruder.«
»Ich weiß«, erwiderte der Friedhofsaufseher vollkommen ungerührt. Es schien, als wäre das Einzige, was er heute noch zu erledigen hatte, den ganzen Nachmittag mit seinem Leinenjackett und der Fliege in den Büroräumen des Neue-Wege-Programms rumzustehen und Ärger zu machen.
Was wahrscheinlich sogar der Wahrheit entsprach, weil der Friedhof, auf dem er arbeitete, das (zerstörte) Tor vermutlich für die nächsten Wochen vierundzwanzig Stunden am Tag geschlossen halten würde.
»Es ist eine Schande, was aus Ihrem Bruder geworden ist. Und das vollkommen unnötigerweise. Ich will hoffen, dass der hier nicht denselben Weg einschlägt.«
Dabei richtete Mr. Smith den Blick auf Alex, der vor Zorn bis zum pechschwarzen Haaransatz knallrot anlief. Doch noch bevor er etwas erwidern konnte, sprach der Friedhofsaufseher auch schon weiter: »Für Sie haben sich die Dinge allerdings anders entwickelt, Deborah, habe ich recht? Ich habe mit Ihrem Vater immer Boccia gespielt, bevor er starb. Er war sehr stolz auf Sie. Wie bedauerlich, dass Sie ihn nicht öfter besuchen konnten, als er noch lebte.«
Die Missbilligung in seiner Stimme war mir nicht entgangen, genauso wenig, wie sie Mom entgangen sein konnte. Aber bei Mom wusste man nie. Oft kreisten ihre Gedanken ausschließlich um die Rosalöffler, dann war sie wie weggetreten und bekam gar nichts anderes mit.
»Doch fürs Erste sind Sie jetzt wieder auf Isla Huesos, wie ich sehe. Und ich hoffe, Sie werden sich diesmal ein wenig mehr um Christopher kümmern, als Sie es damals getan haben.«
Moms Augen wurden so groß wie Kaffee-Untertassen. Also war sie in Gedanken doch nicht bei den Rosalöfflern gewesen. Der Vorwurf, dass sie Opa nicht noch einmal vor dessen Tod besucht hatte, war durchaus angekommen, ebenso wie der wegen ihrer mangelnden Unterstützung für Onkel Chris.
Plötzlich begann es in meinem Nacken zu pochen. Und dabei hatte ich noch nicht mal nach unten geblickt. Denn als ich das tat und die Schuhe des Friedhofsaufsehers sah, wusste ich, dass alles aus war.
Fransen .
»Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstehe, Mr. Smith«, erwiderte Mom mit mühsam zurückgehaltener Stimme. »Aber danke für Ihre Anteilnahme. Meinem Bruder geht es sehr gut seit seiner Entlassung …«
»Tatsächlich?«, unterbrach Mr. Smith sichtlich erfreut. »Nun, das ist schön. Wenn ich mich recht erinnere, war er damals in der Highschool durchaus beliebt bei seinen Mitschülern. Bestimmt bekommt er ständig Besuch …«
Wie bitte? Da konnte was nicht stimmen. Onkel
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