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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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allen Erdenreichen.«
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Dritter Gesang
    D as Büro des Friedhofsaufsehers, wie Mr. Smith mich erinnert hatte, schloss pünktlich um sechs. Als ich an die Tür klopfte, war sechs Uhr längst vorbei.
    »Sie kommen zu spät«, knurrte er, als er die Tür aufriss. »Aber etwas anderes hatte ich auch gar nicht erwartet. Kommen Sie rein.«
    Er ging einen Schritt zur Seite, und ich betrat sein fein säuberlich aufgeräumtes Büro. Die Sonne war bereits hinter den Baumkronen verschwunden, weshalb Mr. Smith eine kleine Schreibtischlampe aus Messing angeknipst hatte. Es war der einzige Gegenstand in seinen Räumlichkeiten, welcher der Geschichtsträchtigkeit des 1847 angelegten (wie auf einem Messingschild außen an der Bürotür zu lesen stand) und somit bereits einhundertfünfzig Jahre alten Friedhofs von Isla Huesos Rechnung zu tragen schien. Was wiederum die meisten Besucher überraschen dürfte, da das Büro sich in einer gediegenen, weiß getünchten Holzhütte befand, mit Lattenzaun darum herum, Schindeldach, Veranda, Fenstern mit türkisfarbenen Läden davor und echtem Kiefernholzboden.
    Auch wenn Mr. Smith vor zehn Jahren noch nicht Küster gewesen war, sah es drinnen noch genauso aus, wie ich es von damals in Erinnerung hatte: Überall standen metallene Aktenschränke und Regale, die bis oben hin gefüllt waren mit unscharfen Kopien von Anträgen auf Grabplätze sowie Bau- und Versiegelungsgenehmigungen für Mausoleen. Aber genau das ist es nun mal, was Friedhofsaufseher tun: Sie sorgen dafür, dass auf einer Beerdigung alles den Vorschriften entspricht. Es gehört nicht zum Anforderungsprofil ihres Berufs, dass sie auch ein Händchen für Innendekoration haben.
    »Stehen Sie hier nicht so rum«, sagte Richard Smith mürrisch und schloss – und verriegelte – die Tür hinter mir. »Setzen Sie sich.«
    Er deutete auf einen der mit Kunstleder bezogenen Stühle vor dem riesigen Holzschreibtisch. Sie sahen etwas anders aus, als ich sie von meinem letzten Besuch in Erinnerung hatte, aber nicht viel. Damals hatte ich keine Gelegenheit bekommen, mich auf einen zu setzen, weil Oma mich nach draußen geschickt hatte, und jetzt stellte ich fest, dass sie recht bequem waren. Trotzdem konnte ich nicht ruhig sitzen.
    John hatte mich gewarnt, ich solle nicht zum Friedhof zurückkehren. »Dieser Ort ist nichts für dich«, waren seine Worte gewesen. »Außer du wärst gerne wieder tot. Für immer, diesmal.«
    Tja, und hier war ich nun. Auf dem Friedhof. Oder zumindest im Büro des Friedhofsaufsehers. Ich fragte mich, ob mich dieser Besuch tatsächlich das Leben kosten würde, was ich irgendwie nicht fair gefunden hätte.
    Mr. Smith schien meine Aufregung zu spüren, denn er setzte sich auf den quietschenden Stuhl hinter seinem Schreibtisch un d kam überraschend schnell zur Sache. Er öffnete eine der oberen Schubladen, zog meine Halskette heraus und legte sie auf die dunkelgrüne Schreibunterlage vor sich.
    »Erkennen Sie diesen Gegenstand wieder?«, fragte er und schaute mich neugierig über den Rand seiner Brille hinweg an.
    Auf der Fahrt hierher hatte ich versucht, mir zu überlegen, was ich sagen würde, und beschlossen, es genauso zu machen wie bei den Polizeibefragungen über den Zwischenfall mit Mr. Mueller: Alles abzustreiten schien mir der sicherste Weg zu sein.
    Aber das war gar nicht so leicht. Die dunkelgrüne lederne Unterlage schien alle Eigenschaften, die das Schmuckstück für mich so unwiderstehlich machten, noch zu unterstreichen, das schimmernde goldene Kettchen, das stürmische Grau des Diamanten und …
    War er im Zentrum tatsächlich etwas blasser als sonst, oder lag das nur am Licht? Jedenfalls war es schwierig, die Kette nicht einfach zu packen und davonzurennen. Was konnte der Küster schon tun? Mich verfolgen kam wohl kaum in Frage, denn er war alt, älter noch als der Juwelier gewesen war. Wahrscheinlich würde er einen Herzinfarkt bekommen, und zwar ohne dass John nachhalf. Aber das konnte ich ihm nicht antun, nicht Mr. Smith, auch wenn ich mir selbst nicht sicher war, weshalb. Nett war er ja nicht gerade gewesen, weder zu mir noch zu meiner Mom.
    Alles abstreiten. Das war das Mittel der Wahl.
    »Nein«, sagte ich, riss meinen Blick von dem Diamanten los und schaute dem Friedhofsaufseher in die Augen.
    Es lag nicht am Licht. Das Innere des Diamanten war tatsächlich beinahe weiß. Etwas Seltsames ging hier vor.
    »Ich habe diesen Gegenstand noch nie zuvor

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