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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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gesehen.«
    »Ich dachte mir, dass Sie das sagen würden«, erwiderte der Küster mit einem Lächeln. »Das Interessante daran ist, dass ich ihn schon einmal gesehen habe.«
    Mir rutschte das Herz in die Hose. Na toll, dachte ich. Nicht schon wieder. Das waren fast dieselben Worte, die auch der Juwelier gesagt hatte. Wie schaffte ich es nur, mich immer wieder in solche Situationen zu bringen? Wie mit Absicht lief – oder radelte – ich schnurstracks hinein.
    »Nicht im wirklichen Leben, natürlich«, sprach er weiter. »Nur auf künstlerischen Darstellungen. In meiner Freizeit, müssen Sie wissen, wenn ich also nicht hier drinnen sitze und Reservierungsanträge für Grabplätze durchgehe oder draußen versuche, ungebärdige Teenager davon abzuhalten, einhundert Jahre alte Grabstätten zu entweihen, lese ich. Und zwar die meiste Zeit über Totengötter … das sind jene Geister, welche die frisch Verstorbenen in ihr zukünftiges Leben geleiten«, fügte er noch hinzu.
    Nachdem er mich gerade einen ungebärdigen Teenager genannt hatte, war er wohl zu dem Schluss gekommen, dass ich seinen Ausführungen sonst nicht würde folgen können.
    Er wusste natürlich nicht, dass ich eine Nahtod-Erfahrung gehabt hatte und deshalb bestens vertraut war mit allem, was mit Tod und Toten zu tun hatte.
    »Sogar mein Freund hält mich für verrückt«, sprach er mit einem Achselzucken weiter. »Mag ja sein, dass ich meine Arbeit manchmal mit nach Hause nehme, wie er immer sagt. Aber ich finde die Angst vor dem Tod, die in unserer Kultur vorherrscht, doch ein wenig lächerlich, wenn man bedenkt, dass der Tod nichts anderes ist als ein natürlicher Bestandteil des Lebenskreislaufs. Damit meine ich nicht, man solle das Leben nicht genießen, denn genau das tue ich. Aber Sie sollten mal sehen, wie die Leute reagieren, wenn ich auf einer Party gefragt werde, wie ich denn meinen Lebensunterhalt verdiene: Sobald ich es ihnen erzählt habe, machen sie sich schnellstmöglich aus dem Staub.«
    »Ah ja?«, meinte ich aus reiner Höflichkeit. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie diese Partygäste sich in Mr. Smiths Gegenwart fühlten. Außerdem, nichts für ungut, aber die Einschätzung seines Freundes oder Lebenspartners schien gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt zu liegen. Andererseits war ich wohl kaum in der Position, jemand anderen als verrückt zu bezeichnen …
    »Deshalb«, sagte Richard Smith, »wusste ich, als ich dies hier heute Morgen auf dem Friedhof fand« – er tätschelte die Halskette –, »nicht nur genau, worum es sich dabei handelt, sondern auch, dass das sicherlich keine Touristin fallen gelassen hat, die zufällig auf dem Weg zurück zu ihrem Kreuzfahrtschiff vorbeikam und ein paar Fotos für ihr Urlaubsalbum schoss. Und als ich dann auch noch dies« – er strich eine Strähne meiner langen dunklen Haare, die er offensichtlich mit großer Sorgfalt von der Kette gelöst hatte, auf der Schreibunterlage glatt – »daran hängen sah, fragte ich mich: Wen habe ich erst kürzlich auf dem Friedhof gesehen, der oder die exakt dieselbe Haarfarbe hat und der möglicherweise auch noch Gelegenheit hatte, dieses Schmuckobjekt in die Hände zu bekommen? Doch sicherlich nicht die junge Lady, die ich beinahe täglich hier sehe und die sich nicht nur weigert, meiner simplen Bitte Folge zu leisten, die Friedhofswege nicht als öffentliche Durchgangsstraße zu missbrauchen, sondern die obendrein auch noch stets eine goldene Halskette trägt?«
    Mir wurde klar, dass ich ihn im Neue-Wege-Büro unterschätzt hatte. Die Fliege und die Fransen waren nur Tarnung. Der Mann war gut. Richtig gut.
    »Ich habe diese Halskette noch nie in meinem Leben gesehen«, wiederholte ich. So lautete meine Version der Geschichte, zumindest bis jetzt, und ich versuchte dabei zu bleiben.
    Mr. Smith ließ ein feines, kleines Lächeln sehen und fuhr fort, als hätte er mich gar nicht gehört: »Ich dachte mir schon, dass ein junges Mädchen, das ohne Rücksicht auf Fußgänger hier hindurchbraust, als trainiere sie für die Tour de France, genau das sagen würde. Vor allem nach einer Nacht, in der hier ein solch ungeheuerlicher Akt von Vandalismus verübt wurde. Also ging ich selbstverständlich zum Schauplatz des Verbrechens, und sehen Sie, was ich zufälligerweise neben dem zerstörten Tor liegend fand.«
    Er hielt eine weitere dunkle Haarsträhne in die Höhe und legte sie neben die andere. »Dieselbe Farbe, dieselbe Länge«, sagte er und hob sie

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