Jeremy X
Beute. Dann hätte Manpower ihnen auch gleich ›Erschieß mich!‹ auf die Zunge schreiben können.«
Wieder schüttelte er den Kopf. »Und das weiß Manpower genau, machen Sie nicht den Fehler, etwas anderes anzunehmen! Nein, es gibt einen guten Grund, Kennungen zu duplizieren, vor allem, wenn sie aus unterschiedlichen Zuchtsätzen stammen - wann immer sie sich sicher sein konnten, die betreffenden Kennungen seien wieder frei geworden. Unter anderem hätten sie damit die Möglichkeit, das Alter ihrer Agenten mehr oder minder frei zu wählen, ganz zu schweigen davon, dass sie die Zuchtsatznummer nach dem Zufallsprinzip auswählen könnten, damit niemand irgendeinen Zusammenhang bemerkt. Und was könnte sicherer sein, als eine bereits vergebene Nummer neu zu verwenden, wenn man genau weiß, dass der ursprüngliche ›Empfänger‹ dieser Kennung schon längst tot ist? Und genau das war dieses Mal der Fall. Das dachten sie zumindest. Schließlich befand sich bereits erwähnter ursprünglicher ›Träger‹ an Bord eines Schiffes, von dem sie alle glaubten, es sei explodiert, bevor irgendjemand entkommen konnte. Es ist wirklich ein reiner Glückstreffer, dass wir das herausgefunden haben.«
Hugh war zu genau der gleichen Schlussfolgerung gekommen, doch ihm ging jetzt eine deutlich drängendere Frage durch den Kopf.
»Wie?«, fragte er nur. In schweigendem Verständnis blickten Jeremy und er einander an; ihre Mienen waren sehr grimmig, und Berry schaute zu ihnen hinüber und legte die Stirn in Falten.
»›Wie‹ was?«, fragte sie nach kurzem Schweigen.
»Wie kann man eine Person, die als Gensklave gezüchtet wurde - und bei der es völlig unmöglich wäre, das zu verbergen - als Konter-Agenten nutzen?«, formulierte Jeremy die Frage aus. »Wie kann man das tun, ohne unablässig das immense Risiko einzugehen, dass er oder sie sich gegen einen wendet - und wenn ein Agent sich von einem abwendet, dann ist das viel schlimmer, als überhaupt keinen Agenten zu haben. Das weiß jeder, der mit den Grundlagen der Spionage und Gegenspionage auch nur ein bisschen vertraut ist.«
»Gegenspionage steht zu Spionage so wie die Erkenntnislehre zur Philosophie, Berry«, warf Ruth ein. »Die absolute Grundlage. Woher weiß man, was man weiß? Wenn man diese Frage nicht beantworten kann, dann kann man überhaupt keine Frage beantworten.« Mit einem nervösen Lächeln blickte sie sich um. »Es tut mir leid. Ich weiß, dass ich sehr pedantisch klinge. Aber es ist nun einmal die Wahrheit.«
Hugh hatte nur eine sehr grobe Vorstellung davon, was man unter dem Begriff ›Erkenntnislehre‹ zu verstehen hatte, aber er verstand sehr wohl, worauf die Prinzessin hinauswollte - und er gab ihr recht. Manpower konnte einen solchen Konter-Agenten offensichtlich züchten. Das wäre, rein biologisch betrachtet, auch nicht schwieriger, als irgendeine andere Art Sklave zu züchten. Und auch wenn es gewiss lästig wäre - aber eben auch nicht mehr als das -, konnte sie auch mühelos eine Kennung duplizieren.
Doch es lief auf das hinaus, was Jeremy gerade eben angesprochen hatte: Wie konnten sie sich sicher sein, dass ihr Agent ihnen auch die Treue hielt, wenn sie ihn erst einmal in die Welt hinausgeschickt hätten?
Natürlich fielen Hugh zahlreiche Möglichkeiten ein, wie Manpower versuchen könnte, sich der Treue besagter Agenten zu versichern. Geiseln zu bedrohen wäre wahrscheinlich die Methode mit der größten Erfolgsaussicht; hin und wieder funktionierten die grobschlächtigsten Vorgehensweisen tatsächlich immer noch am besten. Doch Personen zu bedrohen, die dem Agenten besonders nahe standen, würden in einer solchen Situation vermutlich nicht so gut gelingen wie in manch anderer Lage. Es lag in der Natur und der Erziehung der Manpower-Sklaven, dass sie praktisch niemanden hatten, der ihnen nahe stand. Abgesehen von Adoptiv-Familien, wie Hugh selbst sie gehabt hatte, natürlich. Gerade er würde wohl kaum unterschätzen, wie wichtig derartige ›Beziehungen‹ werden konnten ... und doch wusste jeder Sklave tief in seinem Innersten, dass diese Verbindungen sehr zerbrechlich waren. Es gab sie nur, weil sie von anderen geduldet wurden, und es bestand immer die Gefahr, dass sie von eben jenen anderen einfach zerrissen wurden ... so lange die Institution des Sklavenhandels selbst noch bestünde. Wenn ein Agent sich in der seelenzerfetzenden Situation wiederfände, die Kameraden verraten zu müssen, die es darauf anlegten, genau dieses
Weitere Kostenlose Bücher