Jeremy X
Hände gefaltet in den Schoß, während er seinen Vater mit unverkennbarer Aufmerksamkeit anschaute. Albrecht schüttelte den Kopf. Dann schaute er zu Stabolis hinüber.
»Ich bin mir sicher, dass ich das zu gegebener Zeit bereuen werde, Heinrich, aber wären Sie wohl so freundlich, Ben eine Flasche Bier zu holen? Und machen Sie mir dann doch auch gleich eine auf, ja? Ich weiß nicht, wie es ihm geht, aber ich bin in geradezu niederschmetterndem Maße zuversichtlich, dass ich eine kleine Stärkung gut gebrauchen könnte.«
»Selbstverständlich, Sir«, erwiderte der Leibwächter ernst. »Das heißt, wenn Sie wirklich der Ansicht sind, er sei bereits alt genug, um Alkohol zu trinken.«
Stabolis kannte Benjamin seit dessen Geburt, und so lächelten die beiden einander kurz an. Albrecht hingegen schüttelte erneut den Kopf und seufzte theatralisch.
»Wenn er jetzt noch nicht alt genug dafür ist, dann wird er es nie sein, Heinrich«, erwiderte er. »Machen Sie nur.«
»Jawohl, Sir.«
Stabolis machte sich auf den Weg, und Albrecht kippte seinen Sessel ein wenig zurück. Hinter ihm befand sich das große Fenster, von dem aus man einen prächtigen Ausblick auf den feinen Sandstrand und den dunkelblauen Ozean hatte. Er lächelte seinem Sohn erneut zu, doch dann wurde seine Miene wieder ernst.
»Wirklich, Vater«, ergriff Benjamin das Wort und reagierte damit perfekt auf die Änderung in Albrechts Mienenspiel, »warum wolltest du mich heute Morgen sprechen?«
»Wir haben gerade die Bestätigung erhalten, dass die Vermessungsexpedition der Mantys vor sechs Wochen auf Verdant Vista eingetroffen ist«, erwiderte sein Vater, und Benjamin verzog das Gesicht.
»Wir wussten, dass es irgendwann dazu kommen würde, Vater«, merkte er an.
»Das wohl. Bedauerlicherweise versöhnt mich dieses Wissen auch nicht gerade damit, dass es jetzt tatsächlich passiert ist.« Albrecht lächelte säuerlich. »Und dass die Mantys sich letztendlich auch noch dafür entschieden haben, Kare die Teamleitung zu übertragen, dämpft meine Begeisterung noch ein bisschen mehr.«
»Man hätte hoffen können, dass durch die Tatsache, dass die Mantys und die Haveniten wieder aufeinander schießen, eine Zusammenarbeit der beiden bei etwas Derartigem unwahrscheinlicher geworden wäre«, bestätigte Benjamin trocken.
»Gerechtigkeit muss sein ...«, setzte Albrecht an, doch dann hielt er inne und blickte mit einem Lächeln auf, als Stabolis wieder das Büro betrat, in den Händen die versprochenen Flaschen Bier. Vater und Sohn nahmen jeweils eine davon entgegen, und Stabolis blickte Albrecht mit gewölbter Augenbraue an.
»Bleiben Sie ruhig hier, Heinrich«, beantwortete Detweiler Senior die unausgesprochene Frage. »Mittlerweile kennen Sie ja schon neunundneunzig Prozent meiner dunkelsten Geheimnisse. Da macht das hier jetzt auch keinen Unterschied mehr.«
»Jawohl, Sir.«
Stabolis setzte sich in den Sessel neben der Bürotür, in dem er üblicherweise Wache hielt, und Albrecht wandte sich wieder Benjamin zu.
»Wie ich gerade sagte: Gerechtigkeit muss sein. Eine richtige Zusammenarbeit ist das hier nicht, weißt du? Die haben sich lediglich darauf geeinigt, sich nicht gegenseitig die Köppe einzuschlagen, wenn es um Verdant Vista geht - und warum das so ist, wissen wir doch beide.«
»Die hegen immer noch einen gewissen Groll, wenn es um Manpower geht, nicht wahr?«, merkte Benjamin grimmig an.
»Ja, so ist das«, bestätigte Albrecht. »Und Hauptmann, dieses Arschloch, macht alles nur noch schlimmer.«
»Vater, Klaus Hauptmann geht dir schon auf die Nerven, so lange ich mich zurückerinnern kann. Warum sorgst du nicht einfach dafür, dass Colin und Isabel ihn beseitigen? Ich weiß ja, dass seine Sicherheitsvorkehrungen gut sind, aber so gut sind sie nun auch wieder nicht, weißt du?«
»Ich habe darüber schon nachgedacht - glaub mir, mehr als einmal!« Albrecht schüttelte den Kopf. »Ein Grund, warum ich es nicht getan habe, ist, dass ich schon vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen bin, ich sollte mir besser nicht angewöhnen, irgendwelche Leute ermorden zu lassen, bloß weil sie sich negativ auf meinen Blutdruck auswirken. Wenn man bedenkt, wie viele Arschlöcher es da draußen gibt, müsste ich Isabel rund um die Uhr auf Trab halten, und es wäre immer noch fast so, als würde man versuchen, auf einer Tomatenfarm Unkraut zu jäten. Ganz egal, wie viel man in einer Woche ausreißt, in der nächsten Woche gibt es ohnehin wieder neues.
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