Jericho
die Frau wohlig aufstöhnte und schließlich verstummte.
Wir schauten uns an.
»Na?«
Ich hob die Schultern. »Das scheint wohl erst der Anfang zu sein. Man will uns beweisen, daß dieses Haus tatsächlich eine akustische Auffangkammer für Träume ist.«
»Die noch keine Gestalt angenommen haben.«
Ich winkte ab. »Hoffentlich nicht. Wenn Alpträume Gestalt annehmen, müssen wir mit dem Allerschlimmsten rechnen. Die Phantasie der Menschen ist in ihren Träumen sehr überspitzt.«
»Das hast du direkt vornehm ausgedrückt.«
Unsere Umgebung hatte sich wieder beruhigt. Möglicherweise lag es auch an der Gewöhnung, daß wir diese heftigen und manchmal auch ruhigen Atemstöße nicht mehr so deutlich wahrnahmen. Wir konnten uns eigentlich auf andere Aufgaben konzentrieren, wobei Suko die gleiche Idee hatte wie ich, sie nur schneller ausführte, sich drehte und auf die Tür zuschritt.
»Ich bin doch mal gespannt, John, ob sich das Ding auch öffnen läßt.«
Ich schaute ihm nach. Suko ging zwar, mir aber kam es vor, als würde er sich über den dunklen Boden wie auf einem Surfbrett gleitend hinwegbewegen.
Auch eine Einbildung?
Ich wußte es nicht, denn er tauchte in das Dunkel dicht an der Tür ein. Ich hörte ihn noch und vernahm auch seinen Fluch. »Nichts zu machen, John, die Tür ist verschlossen.«
Plötzlich lachte er ziemlich freudlos. »Sie besitzt nicht einmal eine Klinke.«
»Was?«
»Nur außen, aber nicht von dieser Seite. Die Falle ist zugeschnappt, Alter.«
Und es würde nicht allein bei den Geräuschen der Träumenden bleiben, davon ging ich aus. Das war erst der Beginn. Eine Steigerung würde bestimmt folgen.
Was aber sollten wir unternehmen? Unser höchstes Ziel bestand darin, uns Jericho näher anzusehen und — wenn möglich — ihn auszuschalten. Davon allerdings waren wir weiter entfernt als je zuvor. Auch ließ sich Imelda nicht mehr blicken.
Dafür aber verstummte das heftige Atmen. Als Suko zurückkam, erwischte mich der erste Windstoß.
Eisige Luft blies mir plötzlich entgegen, begleitet von röchelndem Atmen. Im ersten Moment wußte ich nichts damit anzufangen, bis mir klar wurde, daß Suko und ich haargenau in den Alptraum eines Schlafenden eingedrungen waren. Eine grauenhafte Vorstellung, denn der Schlafende würde es auch in dieser Welt schaffen, seinen Träumen eine Gestalt zu geben und sie in dieses Haus zu projizieren.
Suko hatte Mühe zu gehen und sich normal auf den Beinen zu halten, denn auch gegen ihn wehte die Luft. Nicht nur Wind fauchte auf uns nieder, die Person, die diese Szene träumte, mußte wohl den Winter herbeisehnen, denn Schnee wirbelte uns entgegen.
Wenn es jetzt noch eines Beweises bedurft hätte, hier hatten wir ihn. Suko und ich befanden uns in dem Alptraum eines anderen Menschen als real existierende Personen…
***
Aus dem Schnee, der in schrägen Bahnen gegen uns wirbelte, erschien das Gesicht meines Freundes.
Ich fror wie ein Schneider, der Schnee hatte bereits meine Schultern bedeckt und auf meinem Haar eine weiße Kappe gebildet, die ich mit beiden Händen wegschaufelte.
»Von der Wüste ins Eis, John, verflucht, das will mir nicht in den Kopf.«
»Manchmal träumt man im Sommer eben so etwas.«
»Hoffentlich bleibt es auch dabei.«
Suko irrte sich, denn der Traum des uns unbekannten Mannes erfuhr noch eine Steigerung.
Zwar umwirbelte uns der Schnee, aber über unseren Köpfen riß die tanzende Flockendecke plötzlich auf, als wäre sie zur Seite geblasen worden. Eine bestimmte Tücke blieb frei.
Aus ihr hervor fiel das Monstrum!
Wir konnten uns beide nicht erklären, was es für ein Wesen war. Jedenfalls ein furchtbares Etwas. Es bestand aus einer zuckenden, dunkelroten Masse mit einem schwarzen Oval in der Mitte, das auf mich den Eindruck eines gewaltigen Auges machte oder einer Höhle, die sich über uns stülpen wollte, um uns zu verschlingen.
Das Monstrum war derartig groß und breit, daß wir ihm nicht entwischen konnten. Ich hörte Suko fluchen und sah auch gleichzeitig seine Bewegung, denn er schlug einmal einen Kreis über den Boden. Er hatte die Dämonenpeitsche hervorgeholt und sie kampfbereit gemacht. Ich ließ die Beretta stecken, auch das Kreuz zunächst, dann hämmerte Suko zu.
Die drei Riemen wirbelten in die Flöhe und sensten in dieses wiederliche Monstrum hinein.
Ein Regen aus Blut und Schleim drang auf uns nieder, ohne uns allerdings zu erwischen.
Dafür hörten wir den gellenden Schrei eines Menschen.
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