Jericho
die Unendlichkeit freigab, wo eben die Sterne als Fixpunkte schimmerten.
Suko sprach leise. »Der Kümmel, John, gefällt mir nicht. Ersieht irgendwie anders aus.«
»Das heißt, du kannst kein bekanntes Sternbild entdecken.«
»Ja. Ich weiß auch nicht, was es ist. Bestimmt keine normale Decke, und wenn, dann muß sie meiner Ansicht nach sehr hoch liegen. Oder irre ich mich da?«
»Das glaube ich kaum.«
»Andere Dimensionen?«
»Möglich.«
»Und geboren durch die Alpträume der Bewohner dieser Wüstenstadt.«
Er schüttelte den Kopf. »Fassen kann ich es nicht. Was sind das für Träume? Wo kommen Sie her? Wer produziert sie?«
»Die Menschen selbst.«
»Nein, das glaube ich nicht, John. Das ist mir nicht vorstellbar. Ich für meinen Feil rechne eher damit, daß die Träume von einem anderen geschaffen werden.«
»Jericho?«
»Kann sein. Er schafft die Träume, die dann in die Hirne der Menschen eindringen, so daß die es schaffen, sie gegenständlich und erkennbar werden zu lassen.«
Ich konnte Suko darauf nichts erwidern und auch nicht gegensprechen. Es lag im Bereich des Möglichen, daß er recht hatte. Wir waren schon mit den unerklärlichsten Vorgängen konfrontiert worden. Und doch war etwas vorhanden, das uns mißtrauisch machte. Zuerst hatten wir nicht darauf geachtet, dann aber kam es uns vor, als wären wir es gewesen, die diese ungewöhnlichen Geräusche produzierten.
»Was ist das?«
Suko reagierte ungehalten auf meine Frage. Er schüttelte den Kopf, krauste die Stirn und horchte in die Tiefe des Raumes hinein. »Ich weiß es auch nicht, kann aber raten.«
»Dann bitte.«
»Weißt du, John, es hört sich an, als wären wir von zahlreichen Menschen umgeben, die tief Luft holen und sich dabei schwertun. Die schlafen und…«
»… träumen«, vollendete ich.
»Genau.«
Nach dieser Antwort mußten wir einfach still werden, weil uns alles andere störend vorkam.
Nur umgab uns die Stille nicht mehr. Sie war jetzt von Geräuschen erfüllt, und wir konnten nicht feststellen, aus welcher Richtung sie kamen.
Überall drängten sie sich vor. Vom Boden her, von diesem ungewöhnlichen Himmel, auch von den Seiten rauschten sie an uns heran. Zuerst fiel es uns schwer, die Geräusche und Laute einzuordnen, bis wir auf die Lösung kamen und feststellen mußten, daß es sich dabei um das Atmen von Schlafenden handelte. So und nicht anders hörte es sich an, wenn Menschen schliefen und diesen Schlaf nicht in Ruhe genießen konnten, sondern gestört wurden.
Eben durch Träume…
Es war nicht nur das simple Atmen zu hören, sondern ein tiefes Luftholen, hin und wieder verbunden mit einem Röcheln. Manchmal hörten wir ein furchtbares Stöhnen, abgegeben von einer Frauenstimme. Die Person mußte sehr leiden und schien einen wirklichen Alptraum zu erleben.
Grausam hörte sich das Röcheln an, das aus zahlreichen Kehlen der für uns unsichtbaren Schläfer drang. Es war wie eine Botschaft aus einer anderen Welt, die uns überfiel und es tatsächlich schaffte, unsere eigenen Gedanken und auch den Willen zurückzudrängen. Wir konnten gar nicht anders, als uns auf diese schrecklichen Begleitgeräusche der Träume zu konzentrieren. Als ich mir für einen Moment ciie Ohren zuhielt, hörte ich sie trotzdem. Für mich ein Beweis, daß sie nicht nur von den Ohren allein empfangen wurden. Auch Suko machte ähnliche Erfahrungen. Ein kurzer Blick auf sein Gesicht zeigte mir seine Ratlosigkeit. Dann hörten wir einen Schrei!
Es war nur ein kurzer Ruf, etwas schrill, der Schrei einer Frau. Sie schien einen sehr bestimmten Traum zu haben, in dem etwas mit ihr passierte, das sie möglicherweise glücklich machte. Der Schrei übertönte alle anderen Geräusche. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns auf ihn zu konzentrieren. Dann ging er über in heftige Atemstöße, dieses wurde wiederum unterbrochen durch das saugende Luftholen.
Es war unwahrscheinlich, einfach nicht erklärbar. Keiner von uns wußte, in welch einem Haus die Frau lag und wer sie in der Nacht besucht hatte, doch ich konnte mir vorstellen, daß uns Jericho einen Teil seiner Macht dokumentierte.
So etwas war uns bisher auch noch nicht passiert. Wir beide hatten eine Gänsehaut bekommen, die sich über unseren Rücken spannte. Auf unseren Gesichtern stand die Suche nach Erklärungen für dieses akustische Drama, aber keiner wußte so recht Bescheid. Das heftige Atmen blieb. Die spitzen Schreie ebenfalls, die sich urplötzlich veränderten, als
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