Jericho
geratene Schultüte auf seinem Kopf saß. Die Spitze wies in die Dunkelheit hinein, und die breiten Krempen des Hutes beschatteten sein Gesicht, so daß von dem nicht viel zu erkennen war. Ein Stück heller Haut, das war alles. Er besaß lange Arme, die an den Seiten herabhingen und in großen Händen endeten. Es waren Hände, die zupacken konnten. Leicht vorstellbar, wie sie sich um die Kehle eines Menschen legten und allmählich zudrückten.
Er griff uns nicht an, auch wir starteten keine Attacke. Wir wollten sein Geheimnis endlich lösen.
Er kam so weit auf uns zu, daß er nicht laut zu sprechen brauchte. Als er stehenblieb, bewegte er auch seine Finger, schloß sie allerdings nicht zu Fäusten.
»Dann wollen wir mal schauen«, flüsterte Suko und fügte mit lauterer Stimme hinzu: »Jericho?«
»Ja…«
Die Antwort war schlicht, aber sie hatte es in sich. Wenigstens vom Klang der Stimme nach, die wie ein dumpfes Donnergrollen durch den Raum hallte.
»Echt oder nicht?«
Da lachte er-, bewegte seine rechte Hand und legte die Finger an den Hutrand.
Mit einem Ruck schob er die Kopfbedeckung zurück und präsentierte uns sein Gesicht.
Wir erschraken beide, weil wir damit nicht gerechnet hatten. Jericho besaß den Kopf und das Gesicht eines erwachsenen Babies…
***
Nach der vierten Querrinne, die der Wagen durchfahren mußte, konnte es Abe Douglas nicht mehr aushalten und fluchte wütend. »Wenn das so weitergeht, bricht uns die Karre auseinander. Ein Wohnmobil ist kein Geländewagen, zum Teufel.«
»Sie wird halten!« sagte Chato. Er fuhr und lenkte mit einer nahezu stoischen Ruhe.
Der G-man konnte nur den Kopf schütteln. Komisch, er glaubte dem Indianer sogar, denn dieser Mann hatte derart überzeugend gesprochen, daß ihm nichts anderes übrigblieb.
»Das freut mich.«
»Du bist nicht davon überzeugt?«
Abe winkte ab. »Was heißt das schon, mein Freund? Ich muß mich darauf verlassen.«
Er saß neben Chato, während sich Judith in der Mitte des Wagens aufhielt, ihren Platz am Tisch nicht gewechselt hatte und dabei die Kante umklammerte, als wäre sie der letzte Rettungsanker in ihrem beben. Die Schwankungen des Fahrzeugs glich sie nicht mehr aus, deshalb rutschte sie hin und her.
Es war auch schwer zu erkennen, woher sie kamen, da die von den Reifen aufgewirbelten Staubwolken die Sicht nahmen. Jedenfalls hatten sie mittlerweile die Ebene erreicht.
»Wie schlimm ist Jericho?« wollte Abe wissen.
Chato schaute ihn bei der Antwort nicht an. »So schlimm wie Kajuara, Gman.«
»Den kenne ich nicht.«
»Sein Geist existiert.«
»Und der hat sich einen neuen Körper gesucht?«
»Wir Apachen haben Kajuara mit dem verglichen, was ihr Teufel nennt. Er ist der große Gegenspieler des Manitou, schon ein grausamer, menschlicher und gefährlicher Dämon, der herrschen will und sich als Besitzer dieses Landes angesehen hat.«
»War er das denn?«
Chato hob die Schultern. »Soviel mir bekannt ist, hat er zahlreiche Diener besessen. Nicht allein unter den Apachen. Auch Weiße sind ihm verfallen.«
»Wurde er denn vernichtet?«
»Man hoffte es. Nun ist er wieder da. Genau an der Stelle, wo er eigentlich hätte begraben sein müssen, ist er wieder erschienen. Denn dort ist Jericho entstanden.«
»Ein biblischer Name für einen Fleck des Teufels.«
»Sind die Mauern von Jericho nicht auch zusammengebrochen, als der Trompetenklang der Engel sie beschallte?«
»Das ist wahr.«
»Dann warjericho ebenfalls böse.«
»Aber hier gibt es keine Mauern und keine Engel, nicht einmal Trompeten«, erwiderte Abe Douglas mit Galgenhumor. »Das ist alles einfach zu furchtbar.«
»Im Prinzip bleibt es das gleiche. Gut gegen Böse. Du wirst es sehen, denn es dauert nicht mehr lange, bis wir den Ort erreicht haben. Die Menschen schlafen, sie träumen noch immer, aber sie haben einen Grund gehabt, ihre Träume auch in andere Richtungen zu lenken, wie ich meine. Spürst du es nicht auch?«
»In welche denn?«
»Die Träume erwischen nicht mehr uns. Sie konzentrieren sich jetzt auf Jericho selbst.«
»Aha…« Abe überlegte, dann kam er auf den Trichter. »Meinst du John und Suko?«
»Da mit rechne ich.«
Der Mann aus New York schluckte. »Ehrlich gesagt, das wäre nicht gut. Kann man eigentlich gegen Träume kämpfen? Kann man es schaffen, sie zu vernichten?«
»Ich habe keine Ahnung. Man wird es möglicherweise können, aber man muß sehr stark sein.«
»Das sind sie.« Abe stand auf. Die Strecke war nicht
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