Jerry Cotton - 0501 - Hochzeitsnacht mit einem Moerder
seiner Aktentasche hinunter und hievte sie hoch. »Sie enthält das gesamte Material meiner Nachforschungen.«
»Wir werden uns damit beschäftigen.«
Boyce massierte sein Kinn. »Hoffentlich mache ich nicht einen verdammt schweren Fehler, wenn ich Ihnen mein Material anvertraue. Wenn Sie auf den Gedanken kommen, nachzuforschen, wie ich es beschafft habe, kann mich das meine Detektiv-Lizenz kosten. Vermutlich habe ich gegen zwei Dutzend Gesetze verstoßen.«
»An gefährlichen Stellen werde ich beide Augen zudrücken. Wieviel wissen Sie über Vincent Dewicks bisherigen Lebenslauf?«
»In New Jersey geboren, ein gutes College besucht, Gastrolle bei der Marine. Danach hat er ohne besonderen Erfolg dieses oder jenes Geschäft angefaßt. Vor drei Jahren kam er nach New York. Er begann, sich als Grundstücksmakler zu betätigen, beschränkte sich bei diesem Job aber nicht auf Stadt oder Staat New York, sondern arbeitete in allen Staaten. Er muß das eine oder andere fette Geschäft unter Dach und Fach gebracht haben. Nach meinen Informationen besitzt er rund hunderttausend Dollar in Aktien, unterhält ein Büro in der 5. Avenue und fährt einen teuren Wagen. Seine jetzige Frau lernte er vor acht Monaten kennen. Er legte sich sofort mächtig ins Zeug. Ich kann es verstehen. Diana Dewick sieht nicht nur attraktiv aus, sie ist auch finanziell gut gepolstert.«
»Ich weiß es. Sie machte mir klar, 23 000 Dollar seien für sie relativ wenig Geld.«
Boyce leerte sein Glas. »In diesem Punkt unterscheidet sich der Fall Dewick tatsächlich von allen anderen. Keine der verunglückten Frauen besaß ein nennenswertes Vermögen. Sie waren Büroangestellte, V erkäuferinnen, eine Lehrerin. Und dann Mrs. Dale, die ein kleines, ziemlich heruntergekommenes Geschäft besaß, das sie durch ihre Leidenschaft für das Fliegen vernachlässigte.«
»Und die Männer, die diese Frauen heirateten und sie schließlich beerbten?«
»Einige nannten sich Vertreter. Der Mann der mit dem Flugzeug verunglückten Mrs. Dale bezeichnete sich als Schriftsteller. Ich stellte fest, daß er hin und wieder für Zeitungen schrieb. Vermögen besaß keiner von ihnen, mit Ausnahme jenes James Harwood. Seine Frau starb vor acht Wochen.«
»Bei dem Bootsunglück in Miami, während ihr Mann an einer anderen Stelle der Küste angelte?«
»Richtig, Mr. Cotton. Mrs. Harwood war vor ihrer Heirat gänzlich mittellos. Sie arbeitete als Verkäuferin in einem Textilgeschäft hier in New York. Harwood gab als Beruf ebenfalls Vertreter an. Bis vor zwei Jahren hat er, wie ich feststellte, tatsächlich für einige ausländische Firmen 'gearbeitet. Er muß über einiges Geld verfügt haben, sonst hätte er seiner Frau nicht die Reise und den Aufenthalt in einem teuren Hotel bieten können. Er fuhr einen neuen Mercury. Bis zur Todeserklärung seiner Frau und Auszahlung der Versicherungssumme blieb er in Miami. Seitdem ist er ebenso verschwunden wie alle anderen.«
Der Mixer beugte sich über die Theke. »Noch einen Drink?«
»Danke.« Ich rutschte vom Barhocker herunter. »Wollen mal sehen, Mr. Boyce, ob es dem FBI gelingt, den einen oder anderen Witwer aufzutreiben.«
Der Privatdetektiv begleitete mich bis zum Hotelausgang. Ich warf die schwere Aktentasche in den Fond des Jaguar. Als ich langsam an der großen Fensterfront der Hotelhalle vorbeifuhr, sah ich Allan Boyce wieder auf den Eingang der Bar zugehen.
***
Zwischen der vornehm zurückhaltenden Atmosphäre in der Greenstade-Hotelbar und dem Krach in der Car-Inn, Westside, Murray Street besteht ein meilenweiter Unterschied. Der Kleidung nach hätte der Mann, der eine Stunde nach Mitternacht die Kaschemme betrat, eher in die Hotelbar gepaßt. An einigen Tischen verstummte das Gespräch, das Gelächter, ließ man die Karten sinken. Gierige Blicke aus zusammengekniffenen Augen tasteten den Fremden ab, taxierten ihn. Polizist in Zivil? Kriminalschnüffler? Ein Provinzler, der sich auf der Suche nach einem Abenteuer in die Car Inn verlaufen hatte? Oder eine Kanone, ein Gangsterboß, der das kleine Ganovengesindel nicht fürchtete?
Der Mann, der einen Trenchcoat mit hochgestelltem Kragen, einen tief in die Stirn gezogenen blauen Hut und eine dunkle Brille trug, zwängte sich zwischen die Männer an der Theke. Er beugte sich zu Sid Carowsky, dem glatzköpfigen, bulligen Besitzer der Kaschemme, und nannte einen Namen.
Carowsky hob das fette Kinn in Richtung der linken Ecke seines Lokals. »Sitzt hinten am letzten
Weitere Kostenlose Bücher