Jerry Cotton - 0504 - Der Tiger
bringen.
Es lag weder in meiner Absicht noch im Interesse des FBI, sie der Reihe nach durch Mord untereinander ausgelöscht zu sehen. Ich wollte Mord und Gewalt nicht fördern sondern stoppen. Es wurde hohe Zeit, daß ich dieses Ziel erreichte. Mit Whitey hatte das Syndikat binnen weniger Stunden immerhin schon vier Leute verloren.
Ich holte mein Taschentuch aus dem Anzug und ging durch die einzelnen Räume. Das Tuch diente mir dazu, auf den Klinken weder Fingerabdrücke zu hinterlassen, noch diejenigen, die sich darauf befanden, zu verwischen. Dann trat ich ans Telefon und wählte Farlunds Nummer. Ich konnte sicher sein, daß mir niemand zuhörte. Der Täter war längst über alle Berge.
Farlund meldete sich persönlich. Statt meines Namens nannte ich die Kennziffer, die wir für Anrufe ausgemacht hatten. Es war das erste Mal seit meiner Ankunft in der Stadt, daß ich mit dem FBI-Distriktchef telefonierte. Natürlich hatte er inzwischen erfahren, was in dem Theater passiert war. Ich konnte mich also auf eine knappe Skizzierung der bisherigen Ereignisse beschränken.
»Jetzt bin ich in Whiteys Wohnung«, sagte ich dann. »Er ist tot. Was soll ich tun? Wenn ich die Mordkommission verständige, laufe ich Gefahr, identifiziert zu werden!«
»Sie müssen sofort aus der Wohnung verschwinden«, entschied Farlund. »Können Sie das bewerkstelligen, ohne gesehen zu werden oder Spuren zu hinterlassen?«
»Ich hoffe es.«
»Ich setze mich sofort mit der Mordkommission in Verbindung«, sagte Farlund. »Gibt es einen Tatverdacht?«
Ich überlegte kurz. »Im Grunde kommt nur Slim als Täter in Frage. Seltsam ist nur, daß er ausgerechnet jetzt zuschlägt. Nach den Ereignissen im Theater sollte ihm klar geworden sein, daß seine Erfolgschancen auf den Nullpunkt gesunken sind!«
»Vielleicht wünschte er diesen Umstand zu korrigieren?« fragte Mr. Farlund. »Sie müssen jetzt auf dem Posten sein, Jerry! Howard Slim kann es auch auf Sie abgesehen haben. Vielleicht wollte er mit Whitey den Anfang machen?«
»Mich hätte er leicht im Theater abservieren können«, gab ich zu bedenken. Im nächsten Moment fiel es mir jedoch wie Schuppen von den Augen.
Ich wußte plötzlich, wer mir die Pistolen abgenommen hatte. Das konnte nur Slim gewesen sein. Damit hatte er die Voraussetzungen für einen großartigen Coup geschaffen. Er hatte Whitey mit einer dieser Pistolen erschossen. Der Mord sollte ciuf mein Konto gehen.
Ich sagte Farlund, was ich befürchtete, und schloß: »Slim will ganz einfach zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!«
»Das kompliziert die Sache«, meinte der FBI-Chef. »Ich werde den Chef der Mordkommission und seine Leute in die Geschichte einweihen. Überlassen Sie das nur mir! Wenn Ihre Vermutungen zutreffen sollten, bleibt uns nicht mehr viel Zeit, um den Plan auszuführen. Weitere Komplikationen können wir uns nicht leisten!«
»Ich werde mein möglichstes tun«, versicherte ich ihm und legte auf.
In diesem Moment hörte ich in der Diele ein Geräusch. Ich huschte zur Wohnzimmertür und riß sie auf. Dabei prallte ich mit einem stämmigen, knapp fünfundzwanzigjährigen Mann zusammen. Er trug einen blauen Lumberjack mit rot-weiß gestreiften Wollbündchen, ein knallrotes Sporthemd, das am Hals offenstand, und ein Paar fast hautenge helle Drillichhosen.
Sein Gesicht war schmal, blaß und irgendwie nichtssagend. Er starrte mich an, überrascht und mißtrauisch. Ich kannte den Mann nicht. Sein Foto war nicht unter denen gewesen, die man mir von den Mitgliedern der BBB-Bande vorgelegt hatte.
»Wo ist Whitey?« fragte er.
Ich stand glücklicherweise so, daß ich dem Mann im Lumberjack die Sicht versperrte. Ich drängte ihn in die Diele und drückte hinter mir die Tür ins Schloß. Hatte er etwas von meinem Telefongespräch aufgeschnappt?
»Ich bin geradewegs hereingekommen«, sagte er. »Die Tür war nur angelehnt.«
»Warum, haben Sie nicht geklingelt?« fragte ich ihn.
»Warum denn? Die Tür ist ja offen!«
»Wer sind Sie überhaupt?« setzte ich nach.
»Verdammt noch mal, soll das ein Verhör sein?« explodierte er. »Ich will zu Whity!«
»Nehmen Sie einmal an, daß ich ihn vertrete?«
Seine Augen wurden schmal. »Sie? Ich kenne Sie nicht! Was soll der ganze Blödsinn? Whitey hat mich herbestellt! Ich möchte meine Piepen abholen!«
»Wie viele?«
»Was geht Sie das an?« Er hob eine Hand und wollte mich einfach zur Seite schieben. Ein wenig überrascht stellte er fest, daß ich verdammt
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