Jerry Cotton - 0504 - Der Tiger
Lumberjack geangelt. Gleichzeitig hatte ich mich davon überzeugt, daß er keine Pistole bei sich trug. Ich war schon wieder auf den Beinen, als er noch immer mit törichtem Gesichtsausdruck auf dem Boden lag.
Ich öffnete die Brieftasche. Das ging ihm an die Nieren. Er begriff, was ich wollte, und kam blitzschnell auf die Beine. Ich mußte die Brieftasche hinter mich werfen, um seinen zweiten wütenden Angriff kontern zu können.
Er war ein kräftiger Bursche, aber seine Beinarbeit ließ zu wünschen übrig, und er machte den Fehler, seine Reserven nicht richtig einzuteilen. Ich ließ ihn einige Male leerlaufen und schlug zurück, als ihm allmählich die Puste ausging. Es war eine kurze, gezielte Aktion, die den gewünschten Erfolg überraschend schnell brachte. Als ich ihn voll auf den Punkt traf, mußte er ein zweites Mal zu Boden gehen. Diesmal blieb er liegen, keuchend und die Hände in den Spannteppich verkrallt.
Ich schnappte mir seine Brieftasche und sah mir seine Papiere an. Der Führerschein lautete auf den Namen Duff Cander. Ich prägte mir die Personalien des Mannes ein und warf ihm dann die Brieftasche vor die Füße. Er ließ das Ding liegen, weil er einfach noch zu groggy war, um sie an sich zu nehmen.
Ich schaute auf die Uhr. Es wurde höchste Zeit, daß ich von hier verschwand. In spätestens zehn Minuten würde die Polizei hier eintreffen. Bis dahin mußte ich verschwunden sein.
»Aufstehen, los!« knurrte ich Cander an. »Oder legst du Wert darauf, am Tatort verhaftet zu werden?«
Das machte ihn munter. Leicht taumelnd kam er auf die Beine. Er steckte die Brieftasche ein. Seine Augen waren jetzt leicht blutunterlaufen.
»Wir sprechen uns noch!« sagte ich scharf, »’raus jetzt!«
Er torkelte gehorsam zur Tür. Er wollte nach der Klinke greifen, als ihm plötzlich einfiel, daß es wichtig war, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Er öffnete die Wohnungstür mit dem Ellbogen. Dann drehte er sich noch einmal um.
»Ja, wir sprechen uns noch!« sagte er fast flüsternd und in drohendem Ton. »Ich werde zu meinem Geld kommen, das schwöre ich dir! Die nächste Runde geht an mich!«
Dann machte er kehrt und haute ab.
***
Ich fuhr zu Slim. Seine Adresse hatte ich mir, zusammen mit einigen anderen wichtigen Anschriften, von meinem Kollegen in der Kellneruniform besorgt.
Howard Slim bewohnte ein modernes Drei-Zimmer-Apartment in einem Neubau an der Diamond Street. Ganz in der Nähe befand sich übrigens die große Imrnobilienfirma, die Brockley als Aushängeschild und heimliches Hauptquartier gedient hatte. Es nannte sich CONSTRUCTORS GUILD.
Slim empfing mich hemdsärmlig und in Hausschuhen. Ich unterdrückte ein verächtliches Grinsen. Ganz offenkundig sollte diese Aufmachung der Vermittlung des Eindruckes dienen, Slim habe es sich schon vor längerer Zeit zu Hause bequem gemacht.
»Hallo, Arty!« empfing er mich und schüttelte mir mit beiden Händen die Rechte. »Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim! Du wirst sicherlich eine Menge mit mir besprechen wollen.«
Er führte mich in sein Wohnzimmer. Hier stellte ich fest, daß die Behauptung von der bescheidenen Bleibe eine erhebliche Untertreibung war. Die teure Einrichtung bewies zur Genüge, daß das Syndikat es sich leisten konnte, seine Mitarbeiter großzügig zu entlohnen.
Ich stellte noch etwas fest. Über einem der Stühle hing Slims Anzugsjackett. An einer Tasche zeigte sich eine beträchtliche Ausbeulung. Der dadurch gestraffte Stoff bewies, daß der Tascheninhalt ziemlich schwer war. Sicher befand sich die Pistole im Jackett, die Waffe, mit der Whitey erschossen worden war, und die meine Fingerabdrücke trug.
Slim schien fast im gleichen Moment bemerkt zu haben, was mich beschäftigen mochte. Er nahm das Jackett vom Stuhl und entschuldigte sich mit den Worten: »In meiner Bude sieht's ziemlich junggesellenhaft aus, nicht wahr? Ordnung halten ist nicht meine stärkste Seite. Ich bringe nur mal eben die Jacke ’raus!«
Ich ließ ihn gehen, weil ich meine Karten nicht vorzeitig aufzudecken wünschte. Mir genügte es zu wissen, daß die Waffe sich in der Wohnung befand… vorausgesetzt, daß der Gangster es nicht vorzog, die Pistole dem Müllschlucker anzuvertrauen.
Aber das bezweifelte ich aus mehr als einem Grund. Erstens brauchte Slim die Waffe, um mir damit ein Bein zu stellen, und zweitens bestand für ihn noch kein Anlaß zur Befürchtung, daß ich ihn durchschaut haben könnte.
Er kam liebenswürdig lächelnd
Weitere Kostenlose Bücher