Jerry Cotton - 0504 - Der Tiger
sichergestellt? Ich war mindestens eine Viertelstunde lang bewußtlos gewesen. Möglicherweise hatte einer der unverletzten Gangmitglieder vor dem zu erwartenden Eintreffen der Polizei alle Waffen verschwinden lassen.
Mit einem Taxi fuhr ich zurück ins Hotel. Da ich ein Freund schneller Wagen bin, dachte ich dabei voller Wehmut an meinen roten Flitzer in New York. Mein Freund Phil benutzte ihn während meiner Abwesenheit. Schnelle Wagen und schnelle Pferde müssen beständig in Trab gehalten werden, sonst werden sie faul und lahm.
Ich hatte es so gut wie geschafft. Wäre die idiotische Explosionswelle nicht dazwischengekommen, hätte ich mich jetzt schon von Whitey in die Syndikatsbuchführung einweisen lassen können.
Apropos Whitey! Weshalb hatte er sich vor der entscheidenden Aussprache gedrückt? Ich mußte mit ihm reden, und zwar sofort. Whitey war in gewissem Sinne der Pol, um den sich alles drehte. Er kannte die Zahlen und ihre Geheimnisse, er war der Mann, von dem ich mir das wichtigste Belastungsmaterial zu beschaffen erhoffte.
Ich stoppte an einem Schnellrestaurant und aß eine Kleinigkeit, ohne mich um die verwunderten Blicke der anderen Gäste zu kümmern. Erst als ich mich in der Toilette im Spiegel sah, begriff ich das Erstaunen der Leute. Mein Haar wirkte wie weiß gepudert. Ich kämmte es durch und wusch mich ein wenig.
Dann betrat ich die Telefonzelle vor den Toiletten und suchte Whiteys Adresse heraus. Das heißt, ich bemühte mich darum, sie zu finden, aber als ich die Zahl der Whiteys entdeckte, die in dieser Stadt lebten, gab ich es auf und fuhr zurück ins Hotel.
Der FBI-Kellner würde mit Sicherheit in der Lage sein, mir Whiteys Adresse mitzuteilen.
***
Als es klingelte, ging Whitey zur Tür und öffnete. »Hallo, Howard!« sagte er, als er den hochaufgeschossenen Slim vor sich stehen sah. »Ich weiß schon, was passiert ist! Gerade, als ich in meinen Wagen kletterte, ging hinter mir die alte Bude in die Luft. Ich habe nicht schlecht gestaunt, das darfst du mir glauben. Komm herein, mein Junge! Wie ich sehe, bist du heil davongekommen!«
Die Männer betraten Whiteys Wohnzimmer. Es war ein geräumiger elegant eingerichteter Raum, der durch die große Zahl der alten Gemälde auffiel, die die Wände beinahe bedeckten. Slim schaute sich prüfend um. »Ich bin lange nicht mehr hier gewesen«, stellte er gedehnt fest.
Whitey trat an die kleine, aber sehr gut bestückte Hausbar. »Nimmst du einen Drink?« Ohne eine Antwort des Besuchers abzuwarten, füllte er zwei Gläser mit Eiswürfeln und Whisky. »Ich bin abgehauen«, sagte er dabei. »Mir paßte die ganze Richtung nicht, verstehst du. Ich wollte nicht miterleben, wie eä dieser hergelaufene Kerl fertigbringt, unsere viel gelobte, in tausend harten Situationen geprüfte Einheit zu sprengen!«
»Nun, du bist rechtzeitig gegangen«, sagte Slim mit auffallend weicher, sanfter Stimme. Er war etwa in der Mitte des Zimmers stehengeblieben und traf keine Anstalten, sich zu setzen. Seine Hände hatte er in die Hosentaschen geschoben.
Whitey hob mit einem scharfen Ruck das Kinn. »Was soll das heißen? Willst du mir etwa unterstellen, daß ich gewußt hätte, wann die Knallbonbons hochgehen?«
»Du wirst zugeben, daß es ein bißchen komisch aussieht«, meinte Slim, ohne den Tonfall zu ändern. »Kaum warst du weg, da brach die Hölle los! Connors und Stewart hat es erwischt.«
»Tot?«
»Mausetot«, nickte Slim. »Und nun wird es auch noch dich erwischen!« Whitey, der gerade mit den Gläsern auf Slim zuging, blieb abrupt stehen. »Was soll das heißen?« fragte er und blinzelte unruhig.
»Wollen wir mit offenen Karten spielen, Whitey?«
»Das war stets mein Prinzip!«
»Nonsens! Du hast nie den offenen Kampf geliebt, Whitey. Du hast die Fäden hinter unseren Rücken gezogen, unauffällig und sehr wirkunngsvoll. Ich habe dich nie ernst genommen, das war mein Fehler. Bis jetzt hielt ich dich für eine Buchhalterseele, die sich damit begnügte, den Boß jährlich um einige Hunterttausend zu betrügen…«
»Das ist erstunken und erlogen!« unterbrach Whitey protestierend.
Slim wies mit dem Kopf auf die alten Meister an den Wänden. »Du hast dein Geld gut und wertbeständig angelegt. Für Jeff waren das hier nur ein paar alte Ölschinken, aber in Wahrheit sind es alte Meister von hohem Wert. Stimmt’s?«
»Was verstehst du denn schon von Bildern!« sagte Whitey höhnisch.
»Das ist es ja gerade. Keiner von uns versteht sehr viel
Weitere Kostenlose Bücher