Jerry Cotton - 0508 - Die Bombe tickt
Lippenstiftkonturen.
Das brachte mich auf einen Gedanken. Ich wählte Chapmans Nummer. Der Ruf ging hin. Zwei Minuten lang. Niemand meldete sich. Ich legte nachdenklich auf und ging ins Schlafzimmer zurück. Derrington lag auf der Seite. Flüchtig berührte ich seine Hand. Sie war noch warm. Derrington war noch keine Viertelstunde tot. Er hatte die Hände auf die Einschußstellen gepreßt. Ich konnte also nicht feststellen, aus welcher Entfernung die Schüsse abgegeben worden waren.
Im Wohnzimmer klingelte das Telefon. Ich zögerte nur einen winzigen Augenblick. Dann sauste ich hin und nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Ich habe den Jungens den Auftrag gegeben, die Sache in deinem Sinne zu erledigen, Ralph. Es ist das letzte Mal, daß ich so eine Geschichte unterstütze. Ich hoffe, das ist dir klar!«
Die Stimme des Mannes war dunkel, nicht unsympathisch, aber bestimmt. Es war die Stimme eines Mannes, der genau wußte, was er wollte.
Ich brummte ein »Okay«, weil ich hoffte, er würde noch mehr sagen. Aber er hängte auf — ohne ein weiteres Wort. Ich starrte den Hörer an. Riggers? Vielleicht. Ich erinnerte mich an Fotos, die ich von ihm gesehen hatte. Er sah aus wie ein Heldentenor. Genauso hatte der Mann am Telefon gesprochen. Ich sagte Lieutenant Richmond Bescheid, daß ich nicht auf ihn warten könnte.
Knapp zwei Minuten später lenkte ich meinen Jaguar aus der Parklücke. Riggers bewohnte ein Haus an der West End Avenue, in der Nähe der Riverside Church. Ich kannte das Haus vom Ansehen und brauchte genau zwölf Minuten, um hinzukommen. Vor dem Haus war Parkverbot. Als ich langsam vorbeirollte, fuhr ein Wagen aus der Tiefgarage. Ich ließ ihn passieren und stellte fest, daß drei Männer in dem Auto saßen. Einer der Männer war blond. Er hatte langes dichtes Haar, das sich im Nacken kräuselte.
Die Männer saßen in einem dunkelgrünen Plymouth. Ich bemerkte, daß sie betont korrekt fuhren. Sie hielten sich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung.
Die Burschen sahen so aus, als würden sie sich im allgemeinen nicht an eine Anordnung halten. Das auffallend gewissenhafte Fahren ließ vermuten, daß sie unter keinen Umständen die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken wollten.
Ich beschloß, dem Wagen zu folgen.
Die Fahrt ging über die 7th Avenue zur Georg Washington Bridge. Wenig später erreichten wir den Highway 4. Wir verließen ihn bei Paramus. Dann ging es in nördlicher Richtung weiter auf dem Highway 17. In der Nähe von Ramsey bog der Plymouth plötzlich auf eine schmale Landstraße ein. Ich konnte ihm unmöglich folgen, ohne bemerkt zu werden. Ich fuhr weiter und bog auf den nächsten Feldweg ein, der ungefähr parellel zu der Landstraße verlief und nur knapp eine halbe Meile von ihr entfernt war. Ich stoppte und nahm die Karte heraus, um festzustellen, wo ich mich befand. Es war ein trister, kaum bewohnter Landstrich in der Nähe der Ramapo Mountains. Soviel ich wußte, hatte es früher in dieser Gegend eine Menge Sand- und Kiesgruben gegeben. Die meisten davon waren schon vor Jahrzehnten stillgelegt worden.
Ich fuhr weiter. Anfangs kam ich noch an einigen Feldern vorbei. Dann aber wurde das Land wilder und waldreicher. Ich steigerte das Tempo. Die Männer hatten einen ziemlich großen Vorsprung. Das hatte zwar den Vorteil, daß ich nicht gesehen wurde, es hatte aber auch den Nachteil, daß ich sie verlieren konnte. Ich trat scharf auf die Bremse, als ich plötzlich vor mir ein paar frische Bremsspuren entdeckte. Etwa zehn Yard dahinter bog ein Hohlweg von der Landstraße ab. Es war anzunehmen, daß der Fahrer ihn erst in letzter Sekunde bemerkt und entsprechend gebremst hatte, um abbiegen zu können. Im zweiten Gang rollte mein Jaguar über den Waldboden.
Plötzlich wurde der Weg flacher. Er hatte tiefe Furchen. Diese alten Fahrspuren waren nicht gerade ideal für den niedrig liegenden Jaguar. Als die Ölwanne zum zweitenmal gegen den Untergrund schrammte, lenkte ich den Wagen an die Seite. Zu Fuß setzte ich meinen Weg fort.
Hin und wieder entdeckte ich in dem trockenen, spröden Boden eine frisch angekratzte Stelle. Offenbar hatte auch der Plymouth gewisse Schwierigkeiten gehabt, voranzukommen.
Der Weg stieg jetzt an. Er schlängelte sich durch ein Birkenwäldchen. Hinter den letzten Bäumen wurde der Blick frei auf eine verlassene Kiesgrube. Das Wäldchen endete an ihrem oberen Rand. Rechts von mir zog sich der Weg in Serpentinen bis zu der Grube hinab. Ich blieb hinter dichtem
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