Jerry Cotton - 0510 - Sie warfen mich den Schlangen vor
standen einige Kisten mit Obst. Blitzschnell griff er mit beiden Händen zu und nahm sich ein paar leuchtend gelbe Früchte.
Dann raste er los.
Im gleichen Moment stürmte ein kleiner dicker Mann aus dem Laden. Er hob drohend beide Fäuste. Ich sah, ohne daß ich es hören konnte, daß er etwas hinter dem Farbigen herrief.
Und dann passierte das Unbegreifliche.
Der Gemüsehändler griff in die Tasche. Er zog eine Pistole heraus.
»Nein!« wollte ich rufen, aber es ging alles viel zu schnell.
Der kleine dicke Mann nahm die Pistole in die rechte Hand, richtete sie auf seinen eigenen Körper und drückte schnell ab.
Sein linker Arm zuckte wie unter einem furchtbaren Krampf hoch. Dann fiel er schlaff herab.
Der Mann schaute schnell hin.
Mit einem heftigen Schwung warf er die Pistole auf die staubige Straße. Eine Sekunde blieb er noch stehen, ehe er sich zusammenkrümmte, seinen linken Arm mit der rechten Hand festhielt und schließlich in seinen Laden zurückwankte.
***
Zwei Minuten später war ich im Gemüseladen. Er war leer. Ich ging weiter in die Dunkelheit des Ladens hinein, durchschritt einen Vorhang aus Bambusstäben und kam in ein Hinterzimmer.
Der kleine dicke Mann saß stöhnend auf einem altmodischen Sofa. Er hatte seine Jacke ausgezogen.
Sein linker Hemdärmel war vom Blut rotgefärbt.
Eine riesige, knochige Frau stand lamentierend neben ihm.
»Eine Schere!« verlangte ich.
Die Frau fuhr herum und schaute mich verwundert an. Aber sie sagte nichts, sondern wandte sich zu einem Tisch.
»Haben Sie es gesehen?« fragte der Gemüsehändler.
Die Frau reichte mir eine Schere, und mit einem schnellen Schnitt trennte ich den durchbluteten Ärmel vom Hemd. Schon mit dem ersten Blick sah ich, daß es nur ein leichter Streifschuß war. Ungefährlich. Eine Portion Jod und ein Verbandpflaster waren alles, was der Mann brauchte.
»Ich habe es gesehen«, beantwortete ich die Frage des Mannes.
»Dieser verdammte, dreckige Nigger!«
»Warum haben Sie das getan?« fragte ich.
Er fuhr zusammen, als sei er elektrisiert worden. »Was habe ich getan?«
»Sie haben sich in den Arm geschossen!«
»Sie sind verrückt, Fremder!« schnauzte mich die Frau an. »Der dreckige Nigger wollte unsere Ladenkasse rauben und hat versucht, James zu ermorden!«
Einen Moment verschlug es mir die Sprache. Dann sah ich das »K«, das auf seinem Arm eintätowiert war, und wußte Bescheid…
***
Der Richter klopfte mit seinem Ahornholzhammer auf den Tisch. Das Stimmengemurmel im provisorischen Verhandlungssaal erstarb.
»Die Verhandlung wird fortgesetzt!« verkündete der weißhaarige Richter. »Mr. Steapsork, bitte!«
Der Anwalt auf der linken Seite des Angeklagten sprang auf. »Euer Ehren, unser Mandant hat sich auf die eindringlichen Vorhaltungen der Verteidigung bereit gefunden, seine Haltung zu ändern. Er möchte eine Erklärung abgeben!«
Der Rechtsanwalt verbeugte sich leicht zum Richter.
Der schaute kurz zum Anklagevertreter. Von dort kam kein Widerspruch.
»Angeklagter! Sie dürfen Ihre Erklärung abgeben!«
Edward Croccer erhob sich schwerfällig. Er ging langsam zwei Schritte auf den Richter zu. Dabei schaute er verlegen zu Boden.
Einmal hob er langsam den Kopf und schaute den Richter an. Doch er senkte seinen Blick wieder.
»Ich bin schuldig«, sagte er leise. Doch man hörte es im ganzen Saal. Wieder wurde Stimmengemurmel laut. Ein paar Zuhörer sprangen von den für die meisten Erwachsenen viel zu kleinen Stühlen auf.
Wild hämmerte der Richter auf seinen Tisch. »Ruhe! Sonst lasse ich den Saal räumen!«
Auch Polizeichef John P. Matterns sprang auf und hob die rechte Hand. Dabei wurde ein winziges »K«, das auf seinem Arm eintätowiert war, sichbar. »Ruhe, Leute!« rief er in den Raum. Das Stimmengemurmel erstarb. »Angeklagter!« gab der Richter dem unbeweglich in der Mitte des Raumes stehenden Croccer wieder das Wort.
»Ich bekenne mich schuldig!« Croccer flüsterte es fast. »Wir hatten einen Streit, und sie griff mich an. Dann habe ich mich gewehrt. Sie hat zwar eher aufgehört, aber ich habe noch einmal zugeschlagen. Das ist meine Schuld!« Jetzt erst stand wieder der Anwalt auf. Er und sein Kollege hatten Edward Croccer genaue Anweisungen für diesen Auftritt gegeben. Croccer hatte es gut gemacht.
»Euer Ehren!« rief der Anwalt in die Stille hinein. »Sie sehen, unser Mandant bekennt sich schuldig!«
Steapsork federte herum und schaute nun auf die Geschworenenbank. »Er bekennt sich
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