Jerry Cotton - 0515 - Ein Moerder macht Musik
viel besser, wenn du nicht spurst!«
Das Girl zitterte. Ich war nicht sicher, ob sie von Angst oder von Zorn oder von beiden Empfindungen gleichzeitig beherrscht wurde. Jedenfalls hielt ich es für angezeigt, mich einzumischen. »Sie haben gewiß zur Kenntnis genommen, daß die junge Dame nicht die Absicht hat, Ihrer freundlichen Aufforderung Folge zu leisten«, teilte ich ihm mit. »Wie wäre es, wenn Sie daraus die Konsequenzen zögen und die Tür von außen schlossen?«
Er starrte mich an, rund drei Sekunden lang; das war offenbar die Zeit, die er zum Verarbeiten meiner Worte benötigte. Dann schlug er zu. Ich kam ihm gerade zurecht. Er brauchte ein Ventil für seinen Zorn, und ich war der Mann, der ihm das Ablassen seines Dampfes ermöglichen sollte.
Er attackierte mich praktisch aus der Hüfte heraus, knapp, schnell und pulvertrocken.
Er erwischte mich in der Gegend der Gürtellinie, nicht sehr hart, aber doch kräftig genug, um mich sofort munter werden zu lassen.
Im Nu war die schönste Keilerei im Gange. Mein Gegner kannte eine Menge Tricks; er kämpfte nicht gerade unfair, aber vieles von dem, was er mir servierte, lag hart an der Grenze des Erlaubten. Ich hatte alle Hände voll zu tun, um ihn auf Distanz zu halten.
Als er merkte, daß er trotz des hohen Anfangstempos keinen entscheidenden Treffer anzubringen vermochte, legte er noch ein paar Touren zu. Er leistete dabei eine vorzügliche Beinarbeit und stand in der Technik einem Profikämpfer nur wenig nach. Es störte ihn nicht, daß im Zuge unserer muskelstarken Argumentation der Tisch mit der Flasche und den Gläsern umfiel, und er kümmerte sich auch nicht um die Proteste und das Flehen des Mädchens. Er war entschlossen, sich durchzusetzen und zu gewinnen.
Ich durchkreuzte dieses Vorhaben mit einigen gerade herausgestochenen Linken und rundete die Aktion dann mit einem rechten Haken ab. Ich traf genau den Punkt. Der junge Mann ging in die Knie. Er sah plötzlich sehr schlaff und töricht aus.
Ich bückte mich und stellte den Tisch auf die Beine. »Ein Jammer um den schönen Whisky!« sagte ich mit ehrlichem Bedauern.
Das Girl zitterte noch immer. Es war außerstande, ein Wort hervorzubringen. »Wie heißt unser junger Freund?«
Der junge Mann stemmte sich hoch. »Ich bin Fred Tucker«, erklärte er schweratmend. »Ich stehe zu meinem Namen… im Gegensatz zu dir, Honey!« Das galt dem jungen Mädchen, dessen Gesicht sich plötzlich mit einem Hauch von Röte belegte.
»Ich… ich bin gar nicht Virginia Vermont!« platzte sie plötzlich heraus.
Der junge Mann stopfte sein Hemd in die Hose zurück. »Du bist ihre Freundin!« knurrte er. »Das ist schon zuviel! Diese Virginia taugt nichts. Sie ist faul bis ins Mark hinein. Wenn du weiter zu ihr hältst und ihre blödsinnigen undurchsichtigen Aufträge annimmst, wirst du eines Tages dort landen, wo Virginia Vermont schon ist… nämlich im Sumpf!«
Das Girl blickte mich an. »Sie müssen verzeihen, daß ich Sie…« Sie unterbrach sich, weil sie auf einmal nicht mehr weiterwußte. Sekunden später kamen die Worte wie ein Sturzbach über ihre Lippen. Ich merkte, daß sie froh war, sich erleichtern zu können. »Virginia rief mich gestern an. Ich kenn sie schon seit drei Jahren. Wir haben die gleiche Schauspielschule besucht. Virginia bat mich, eine Rolle für sie zu übernehmen… eine private Gefälligkeit. Ich sollte Sie als Virginia Vermont in diesem Hotelzimmer empfangen, Mister Lennon.«
»Warum?« fragte ich.
Das Girl zuckte die runden Schultern. »So genau hat Virginia mir das nicht gesagt. Sie meinte jedoch, es sei wichtig für sie, herauszufinden, was innerhalb der ersten halben Stunde geschehen würde. Offenbar rechnete sie mit Störaktionen von außerhalb. Virginia bat mich, Sie mit allgemeiner Konversation etwas hinzuhalten. Nach dreißig Minuten sollte ich mich unter dem Vorwand von Kopfschmerzen entschuldigen…«
»Und Laura hat akzeptiert!« sagte der junge Mann wütend. »Für lumpige fünfzig Dollar!«
»Was hat Ihnen Miß Vermont von mir erzählt?« wollte ich wissen.
»Virginia sagte mir, daß Sie ein amerikanischer Reporter sind und aus Paris kommen. Mehr weiß ich nicht von Ihnen.«
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße Laura Reilly und arbeite als Fotomodell.«
»Wann haben Sie Virginia Vermont das letzte Mal gesehen oder gesprochen?«
»Gestern. Sie rief mich an. Als ich herkam, war sie bereits gegangen. Sie hatte keine Nachricht für mich hinterlassen, aber auf dem
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