Jerry Cotton - 0517 - Am Broadway sind die Naechte heiss
»Es'ist ihm soeben gelungen, den Toten vom Times Square zu identifizieren. Bei dem Opfer handelt es sich um einen zwanzigjährigen jungen Mann namens Frank Marvin. Marvin war zuletzt arbeitslos. Er wohnte 1117 Northern Boulevard in Queens. Marvin war wegen einiger kleinerer Delikte vorbestraft. Shantons Leute sind gerade dabei, Marvins Vergangenheit zu durchleuchten.«
»Ich bin sicher, daß er mir auf dem Weg vom Theater zum Times Square gefolgt ist«, sagte ich nachdenklich. »Aber weshalb? Wollte er mich beobachten, und wenn ia, warum und in wessen Auftrag? Oder wartete er auf eine günstige Gelegenheit, sich mir anzuvertrauen? Sollten ihn die Schüsse daran hindern? Befürchteten die Schützen, daß er singen wollte?«
»Er kann auch Rita Colby gefolgt sein«, meinte Phil.
»Rita Colbv war jedenfalls in der Nähe«, stellte Mr. High fest. »Sie war oder ist Henry Philipp Porters Girl, und sie weiß sicherlich mehr, als sie zuzugeben wart.« Mr. High lehnte sich zurück und griff nach einem Bleistift. Er klopfte damit auf die Schreibtischplatte und sagte: »Ich habe mich übrigens mit Lindas Chef unterhalten. Er kann es sich nicht erklären, was Linda veranlaßt haben kann, Rita Colbys Wohnung aufzusuchen… Es sei denn, Linda wurde ausdrücklich darum gebeten.«
»Die Sache mit dem Schlüssel gefällt mir nicht«, meinte Phil. »Es ist natürlich denkbar, daß er der Sterbenden in die Hand gedrückt wurde, um die Polizei auf eine falsche Fährte zu lenken.«
»Miß Bennet verließ die Redaktion wie gewöhnlich, um in einem nahen kleinen Restaurant ihr Mittagessen einzunehmen. Das Lokal nennt sich ›Homecook‹. Sie kennen das Lokal, nehme ich an. Es ist bekannt für seine gute Küche. Niemand weiß, was Miß Bennet plötzlich veranlaßte, zu Miß Colby zu fahren. Es ist Ihre Aufgabe, meine Herren, diesen Punkt als ersten zu klären.« Phil und ich verließen das Office des Chefs etwa zwanzig Minuten später.
Unsere Marschrichtung war klar. Wir mußten, um an Porter heranzukommen, erst einmal den Mörder von Linda Bennet finden und feststellen, ob das Girl tatsächlich nur ermordet worden war, weil der Täter sie mit Rita Colby verwechselt hatte, oder ob sich ein anderes Motiv hinter der Tat verbarg. Wir durften dabei nicht außer acht lassen, daß Linda Bennet eine Informantion des FBI gewesen war.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Rita Colby hinter dem Mord verbirgt«, meinte Phil, als wir in unserem Office saßen. »Erstens hat sie kein klar erkennbares Tatmotiv, und zweitens wäre es dumm von ihr gewesen, das Verbrechen ausgerechnet in ihrer Wohnung zu inszenieren und dann noch die Polizei zu alarmieren!«
»Die scheinbare Idiotie könnte kluge Berechnung sein«, gab ich zu bedenken. »Gerade weil niemand glaubt, daß sie etwas so Ausgefallenes tun könnte, hat sie gute Chancen, damit durchzukommen.«
»Du hältst sie für die Täterin?« fragte Phil.
»Ich weiß nur, daß sie unaufrichtig ist.«
Das Telefon klingelte. Ich nahm den Hörer ab. »Mr. Cotton?« fragte eine brummige Baßstimme. »Hier Sergeant Bright vom neunundsechzigsten Revier. Wir haben versucht, Gerry Flint hoppzunehmen. Aber der Vogel ist ausgeflogen. Da er seine Sachen mitgenommen hat, sieht es beinahe so aus, als wolle er nicht zurückkehren.«
Ich bedankte mich und hängte auf. Ich hatte im Grunde nichts anderes erwartet. Ich machte mir eine Notiz, um die übliche Fahndungsmeldung zu veranlassen. Gerry Flints Flucht war nicht tragisch zu nehmen. Er war nur ein Mitläufer gewesen. Wir hatten Nicholson in unserer Hand. Vielleicht gelang es, Nicholson zum Reden zu bewegen.
»Ob das Ganze nur eine Farce ist?« fragte Phil.
Ich schaltete nicht gleich. »Eine Farce?« echote ich.
»Na, die angebliche Trennung von Porter und seiner Puppe. Könnte es sein, daß sich dahinter eine Absicht verbirgt?«
Ich zuckte die Schultern. »Welche denn? Ich sehe da keinen Zusammenhang.« Ich skizzierte eine kurze, aber genaue Beschreibung des Schlägertyps Sammy und gab sie an den Erkennungsdienst weiter. Mit Hilfe der Computer würde ich schon bald eine stattliche Bildersammlung von Leuten bewundern können, die der Beschreibung entsprachen. Wenn ich Glück hatte, würde der Gesuchte darunter sein.
Ich erhob mich. »Fertig?«
»Three-two-one-zero!« sagte Phil und schoß hoch.
Wenige Minuten später fuhren wir mit dem Jaguar zum »Homecook«. Das Lokal öffnete erst mittags. Wir mußten den Lieferanteneingang benutzen. Der
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