Jerry Cotton - 0519 - Als Praemie einen Todesjob
in Sing-Sing gesessen hatte. Der verbotene Spielklub, den er im Auftrag seines damaligen Syndikats ausgeraubt hatte. Coleman konnte seinerzeit nicht überführt werden. Doch wenn die Informationen stimmten, lebte Viccallo tatsächlich im Kriegszustand mit Coleman.
Ich setzte mich auf einen Stuhl und schaute mir die Karteikarte näher an.
Richtig. Auf der Karte war ein Vermerk, der sich auf die Verbindung zwischen Haeksel und Coleman bezog.
Erst jetzt hatte ich Gelegenheit, mir das Foto auf der Karteikarte genau anzuschauen.
Dann legte ich die feuerrote Karteikarte resignierend auf Nevilles Schreibtisch. Der Mann, der jetzt tot draußen am Hudson lag und dessen Fingerabdrücke ich genommen hatte, war zweifellos mit dem auf dieser Karte registrierten Edmond Haeksel identisch. Er war, laut Foto, ein bulliger Mann.
Aber er war nicht der Mann, der wie ein Nilpferd aussah und der mir am Vormittag vor dem Mordhaus begegnet war.
Ich hatte eine falsche Spur verfolgt.
***
»Wo finde ich ihn?« fragte der Mann, der wie ein Nilpferd aussah.
»Sorry, Mr. Cunard, ich weiß nicht, wo er sich aufhält. Wenn er wieder zu sprechen ist, wird er mich anrufen«, klang Sandra Humbsters kühle Stimme aus dem Telefonhörer zurück.
»Hat er nichts für mich hinterlassen?« fragte Cunard noch einmal, obwohl er die Frage schon vorher gestellt hatte.
»Nein, Mr. Cunard, er hat nichts für Sie hinterlassen«, log die Frau.
Der Mörder holte tief Atem. »Gut«, knurrte er dann, »ich bleibe noch eine Stunde hier, wo ich jetzt bin. Dann rufe ich wieder an. Wenn er sich bis dahin nicht gemeldet hat, komme ich zu Ihnen und warte auf seinen Anruf.«
Wütend hing er den Hörer ein. Mit einem Fußtritt öffnete er die Tür der Telefonkabine und trat wieder auf die Straße. Rückischstlos bahnte er sich den Weg durch die hastenden Menschen. Rushhour, dachte er. Jetzt kommen sie alle aus den Büros und aus den Fabriken. Jetzt wird auch bei diesem verfluchten Leemiller im Laden Hochbetrieb sein. Vorhin, in der ruhigsten Nachmittagsstunde, hätte es geschehen müssen.
Mit finsterem Gesicht stampfte der Dicke über eine Fahrbahn. Auf der jenseitigen Straßenseite blieb er einen Moment stehen und blickte in die Runde. Dann wußte er die Richtung, in die er weitergehen mußte, um zu seinem Wagen zu kommen.
Der Wagen stand unweit des Ladens von Winston Leemiller.
Schnaufend ließ Leonard Cunard sich in die Polster fallen.
Sein Blick heftete sich an die Ladentür des Mannes, den er ermorden wollte.
Zwei Männer kamen heraus. Ein etwa zehnjähriger Junge ging hinein. Ein Mann kam heraus. Dann eine Frau. Ein Mann eilte auf den Laden zu. Der Junge kam wieder.
»Verdammt«, knurrte Cunard leise.
Bei Leemiller herrschte tatsächlich Hochbetrieb.
Der Mörder wurde zornig.
Noch nie in seiner Laufbahn als Killer hatte er einen Plan auf gegeben. Wer auf seiner Liste stand, mußte sterben. Es war sein Beruf, diese Arbeit zu leisten. Schnell, zuverlässig und diskret.
In Chicagos Unterwelt war er dafür bekannt.
Und auch in New York wollte er sich nicht daran hindern lassen, seinen Prinzipien treu zu bleiben.
Mit bösen Augen starrte er auf das Geschäft, in dem er sein Opfer wußte.
»Du bist der nächste!« flüsterte er lautlos. »Und wenn ich sechs Stunden hier warten muß!«
***
»Schöne Schuhe!« bemerkte der Zerlumpte anerkennend.
»Meine Schuhe! Er hat sie mir geschenkt!«
»Ja, ja«, murmelte der Zerlumpte. »Er hat sie dir geschenkt. Und einen Dollar dazu!«
»Es ist mein Dollar!« zeterte Joe Dimm eigensinnig.
»Es sind deine Schuhe!« meckerte der Zerlumpte. »Weißt du, was solche Schuhe kosten?«
Joe Dimm betrachtete sich die Prachtstücke, die er aus dem Hudson gezogen hatte. Er war sehr stolz auf seine Neuerwerbung. Und dankbar, zumal er in seinem linken Knie Schmerzen spürte, die auf baldigen Schnee schließen ließen.
»Ist mir egal, was solche Schuhe im Laden kosten«, brummte er. »Ich habe ja jetzt welche.«
»Ich aber nicht«, nuschelte der Zerlumpte neidisch. »Neue Schuhe und ein Dollar. Das ist ungerecht. Gib mir den Dollar!«
»Habe ich nicht mehr!«
Der Zerlumpte schaute seinen Standesgenossen mißtrauisch an. »Was hast du denn dafür gekauft?«
»Nichts«, antwortete Joe Dimm kurz. »Ich habe ihn verloren. Als ich das Paket aus dem Wasser holte, ist er mir ’reingefallen.«
Verachtungsvoll schaute der Zerlumpte seinen Kollegen an. Er rümpfte die Nase, schüttelte den Kopf, spuckte dann wütend aus,
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