Jerry Cotton - 0520 - Die Lady aus der Rauschgiftbar
der er nichts weiß.«
»Und das wäre?«
»Reynolds hat dieselbe Idee gehabt wie du?«
»Welche Idee?«
»Gould fertigzumachen. Nur hatte er auch die Mittel dazu, die dir fehlen!«
»Langsam, Alter - was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass Reynolds einen V-Mann bei Gould eingeschleust hatte; jemand, der dort ziemlich unbeschränkten Zugang zu allen Geschäftspapieren hatte und die für Reynolds fotografierte. Es gibt praktisch kein wichtiges Dokument von Gould, von dem Reynolds nicht eine Fotokopie besaß. Und all die hübschen kleinen Fotokopien haben wir jetzt. Ich bin sicher, dass Reynolds vorhatte, mit den Dingern eine Erpressung zu starten, und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er damit den Kurs seiner abgerutschten Aktien bei Cloud heben wollte. Dazu kam es nun nicht mehr. Aber wir übernehmen die Sache natürlich. Ich habe erst einmal die Hand auf alle Unterlagen gelegt und bin dabei, sie zu überprüfen. Eines steht aber jetzt schon fest - es reicht dicke aus, um Gould hochgehen zu lassen.«
»Und was hast du jetzt vor?«
»Ja - ich dachte mir, ich teile es dir gleich mit. Vielleicht löst es auch dein Problem!«
»Augenblick«, sagte ich, »von einer Lösung kann keine Rede sein. Wenn ihr mir Gould wegnehmt, sitze ich ohne alles da. Dann fahre ich entweder nach Hause oder warte auf Clouds Killerkommando, wobei mir das Erstere günstiger erscheint.«
»Wir können Gould aber nicht laufen lassen - nicht mit all dem Material, dass wir gegen ihn haben.«
»Aber ihr könnt den Schlag gegen ihn verschieben.«
»Und zu welchem Zweck?«
»Mir kommt eben eine Idee«, sagte ich. »Ein bisschen riskant zwar, aber vielleicht klappt es, und ich lege Gould doch noch auf’s Kreuz, ohne die Gesetze zu verletzen.«
***
Als es Mitternacht geworden war, gab Phil den im Keller des Polizeihauptquartiers versammelten Männern ein Zeichen.
»Los, Jungs! Spielt jetzt ein bisschen Theater. Aber denkt daran - es wird nur gegen die Decke geballert. Und anschließend fährt mir keiner in Richtung West Park Street. Alles klar?«
Die Männer - uniformierte Cops der Stadtpolizei - nickten. Ein bulliger Sergeant steckte seine Trillerpfeife in den Mund. Ein schriller Pfiff ertönte, dann flammten in dem lang gestreckten Raum die Lichter auf. Eine Maschinenpistole ratterte los und sägte reihenweise Putzbrocken aus der Decke. Jetzt knallten auch die anderen los. Es war ein Höllenspektakel.
»Ist das nicht zu laut?«, fragte Phil zweifelnd.
Ich schüttelte den Kopf.
»Freund Gould soll doch mitkriegen, dass hier ein Einbrecher gejagt wird.«
»Und du meinst, er frisst die Geschichte? Dass du im Archiv der Polizei einbrichst?«
Ich zuckte die Schultern.
»Warum nicht. In New York wäre das natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Da kommt keiner in die Polizeiarchive rein. Aber wir sind hier nicht in New York. Und der Raum hat keine besonderen Sicherungen, jedenfalls keine, die unüberwindlich wären. Gould weiß, dass mir das Wasser bis zum Hals steht. Warum soll er nicht glauben, dass ich versuche, mir die Akten wiederzubeschaffen.«
Der Sergeant kam herbeigelaufen. Auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen.
»Sollen wir jetzt losfahren?«
Phil sah auf die Uhr.
»Okay - und gebt ein paar Falschmeldungen über Funk durch. Bestimmt hat Gould schon das Ohr am Polizeifunk. Wir wollen die Sache möglichst echt gestalten.«
»Aye, aye«, brummte der Mann, und gleich darauf jaulte die erste Polizeisirene los.
»Zeit für mich«, sagte ich und machte mich auf den Weg. Draußen schlug ich die Richtung West Park Street ein. Das war die einzige Richtung, in der keine Polizeiwagen fuhren. In der West Park Street lag Jay Goulds Haus.
***
Nach knapp zehn Minuten hatte ich sein Grundstück erreicht. Das Haus war dunkel, aber ich spürte, dass man dort nicht schlief. Ich bückte mich, wühlte mit meinen Händen im Erdreich herum und rieb mir das Gesicht ein. Die Krawatte hing sowieso schon schief. Jetzt packte ich meine Jacke am Revers und riss ein großes Dreieck hinein. Dann holte ich ein Fläschchen aus der Tasche und goss mir eine dunkelrote Flüssigkeit über den linken Arm. Es sah jetzt so aus, als wäre ich verletzt.
Ich zog meinen Revolver aus der Tasche, nahm ihn in die linke Hand und umklammerte zugleich den linken Arm mit der rechten Hand. Dann drückte ich auf die Klingel.
Die Tür ging so schnell auf, dass ich annahm, Gould hätte unmittelbar dahintergestanden. Der dünne Lichtstrahl einer
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