Jerry Cotton - 0522 - Das Maedchen mit dem Killerblick
sehen wir uns gleich einmal bei Mr. Brant um.« Nummer 312 war eine düstere verschmutzte Mietskaserne. Cornells Leute stiegen bis zum Dachboden hoch. Sie stießen auf eine Tür, die mit einer handgemalten Visitenkarte, auf der der Name Ray Brant stand, geschmückt war. Drunter klebte ein Totenkopf und die Worte »Danger — Explosives«.
»Mach auf!« befahl Rathgill. Don Orchard trat zweimal wuchtig gegen die Füllung. Das genügte, um das Schloß zu sprengen.
Brants Bude erhielt Licht durch ein schräges Dachfenster. Über der Couch hingen ein halbes Dutzend Pin-up-Girl-Fotos. Von der anderen Wandseite grinsten die Beatles.
Der besterhaltene Einrichtungsgegenstand war ein Transistorradio, das am Kopfende der Couch auf einem aus einer Apfelsinenkiste gebauten Regal stand.
Rocco Rathgill schüttelte den Kopf. »Die Fährte muß falsch sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Regerty sich von ’ner Type wie diesem Brant die Kiesel abjagen läßt.«
»Arbeiten vielleicht zusammen«, knarrte Don Orchard.
»Genauso unwahrscheinlich. Regerty ist ein ehemaliger CIA-Mann, der sich niemals mit ’nem Halbstarken einläßt. — Na ja, laß uns gründlich nachsehen, damit Cornell uns keine Vorwürfe macht. Mike, geh’ auf das Podest und paß auf, ob jemand kommt.«
Sie schlossen die Tür von innen und machten sich an die Durchsuchung des Zimmers. Bei den wenigen Gegenständen, die der Raum enthielt, waren sie sehr schnell fertig. »Nichts!« knurrte Orchard.
»Hast du im Radio nachgesehen?« Orchard drückte auf den Einschalteknopf. Der Transistor gab Beatmusik von sich.
»Es funktioniert, Rocco!«
»Sieh trotzdem nach! Diamanten brauchen nicht viel Platz.«
Orchard zog seine Kanone und zerschlug mit dem Griff das Kunststoffgehäuse. Der Beat zerbrach in Splittern und Krachen. »Nichts«, meldete Don. Sein Bruder öffnete die Tür. »Kommt wer ’rauf!«
»Falls es Brant ist, kommt er passend. Ich brauche ein Interview mit ihm. Tür zu, Mike!«
Sie bauten sich links und rechts von der Tür auf. Rathgill preßte sich mit dem Rücken dagegen, um das herausgesprengte Schloß in die alte Lage zu drücken.
Sie hörten Schritte auf dem Holzboden des Treppenpodestes. Als der Besucher vor der 'Tür stehen blieb, konnten sie durch die Spalten zwischen den verzogenen Brettern das Klirren des Schlüssels hören.
Rathgill nickte dem älteren Orchard zu und trat zur Seite. Mike riß die Tür auf. Don griff zu. Seine Eisenfäuste packten Brants Jacke. Ehe der Junge eine Gegenbewegung machen konnte, wurde er herumgerissen und wie von einem Wirbelwind in das Zimmer hineingefegt. Er stürzte und landete zwischen den Trümmern seiner Couch. Mike Orchard warf die Tür zu, und Rathgill stellte sich mit dem Rücken davor. »Hallo!« sagte er. »Du bist Ray Brant! Genauso hat dich dein Geschäftspartner beschrieben.«
»Jesse? Hat Jesse mich…« Er brach ab. Im ersten Augenblick hatte er die Männer für Polizeibeamte gehalten. Jetzt erkannte er, daß sie zu einer anderen Zunft gehörten. Er richtete sich auf. »Was w'ollt ihr?«
»Du hast dem Trödler einen erstklassigen Diamanten verkauft. Woher stammt der Stein?«
»Gefunden!«
»Bist du auf diese Antwort stolz, mein Junge? Don, mach ihm klar, daß wir solche Antworten nicht mögen.«
Orchard bückte sich. Ray trat nach dem Gangster. Orchard wechselte die Stellung, ohne eine Miene zu verziehen. Als Ray zum zweiten Maie zutrat, fing Don den Fuß des Jungen ab und drehte ihn im Gelenk. Brant schrie auf und schnellte herum in die Drehung hinein. Es war zu spät. Der Schmerz schoß wie eine Flamme vom Knöchel hoch. Als Orchard den Fuß losließ, lag Ray auf dem Gesicht. Die Tränen rannen über seine Wangen. Er atmete keuchend.
»Ich denke, du wirst jetzt viel vernünftigere Antworten geben«, sagte Rathgill. »Sollte ich mich irren, nun, so hast du ja noch einen zweiten Fuß und im äußersten Falle noch ein linkes und ein rechtes Handgelenk. — Woher stammt der Stein?«
Ray hatte den Kopf nach rechts gedreht. Der Schmerz lähmte seine Denkfähigkeit. Er hörte die Stimme, aber er verstand weder die Worte, noch drang die Drohung, die sie bedeuteten, in sein Bewußtsein. Zwei Schritte von ihm lagen die Trümmer seines Transistorradios. Er sah das zerschlagene Kunststoffgehäuse, die abgebogenen Zierleisten und den zerrissenen Tragriemen wie in einer Großaufnahme. Der Anblick seines zerstörten Besitzes erfüllte ihn mit wilderer Wut als die Mißhandlung. Plötzlich
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