Jerry Cotton - 0523 - Ich war das As der Unterwelt
Ihre Frage als aufdringlich empfinden könnte.«
Er lächelte — ein freudloses Lächeln. »Natürlich«, sagte er, »aber das stört mich nicht weiter. Ich habe nämlich ein paar Nachforschungen angestellt.«
»Interessant«, sagte ich.
»Sie sind seit einigen Tagen in der Stadt und beweisen ein auffälliges Interesse für Mr. Tony Paladino.«
»Das ist schon wieder eine Behauptung.«
»Eine Tatsache«, korrigierte er. »Mr. Paladino ist das zu Ohren gekommen, und jetzt interessiert er sich für Sie. Ich bin sein Rechtsanwalt.«
»Ach so«, sagte ich und beäugte ihn interessiert.
»Ich habe, wie gesagt, ein paar Nachforschungen angestellt und in Erfahrung gebracht, daß Sie in Wahrheit der Zeitungsreporter van Dyk sind.«
Ich setzte ein Grinsen auf.
»Nun, Mr. Holden, ich glaube, da hat Sie jemand beschwindelt…«
»Meine Informationen stimmen«, erwiderte er knapp.
Ich sah ihn an und schwieg. Natürlich hatte mein Chef Vorsorge getroffen, daß niemand etwas von dem wirklichen Gangster und Reporter erfahren konnte. Die rechte Hand des ermordeten Gangsterbosses Marvin Steele saß sicher in einem Untersuchungsgefängnis von Los Angeles.
»Und jetzt?« fragte ich schließlich, denn ich mußte ja den Rechtsanwalt kommen lassen. In meiner Hand steckten zu wenig Trümpfe.
»Und jetzt«, ahmte Holden mich nach, »wollen wir allmählich zum Geschäftlichen kommen. Meine Zeit ist teuer.«
Ich lehnte mich in dem Sessel, in dem ich mich mittlerweile niedergelassen hatte, bequem zurück und grinste ihn unverschämt an. »Von Geschäften, Mr. Holden, spreche ich gern. Aber nur dann, wenn sie für mich lohnend sind.«
Holden versuchte, ebenfalls zu lächeln, aber diesmal glückte es ihm nicht so ganz.
»Mr. Paladinos Ziel war es in der letzten Zeit, seinen Betrieb und den Marvin Steeles zusammenzulegen. Leider wurde das durch einen bedauerlichen Unglücksfall bislang nicht ermöglicht.«
»Wie schön Sie einen Mord umschreiben können, Holden«, spottete ich.
Der Rechtsanwalt schnaubte ärgerlich.
»Mr. Paladino bietet Ihnen jetzt an, Steeles Betrieb weiterzuleiten. Paladino möchte lediglich mit dreißig Prozent an den Einnahmen beteiligt sein.«
»Wie bescheiden von ihm«, versetzte ich ironisch. »Sagen Sie Ihrem Paladino, daß man heute nichts ohne Gegenleistung bekommen kann. Die Gang Marvin Steeles hat bislang nicht das Absahnen Paladinos gebraucht und kann auch weiter ohne ihn auskommen.«
Holden hüstelte gekünstelt.
»Sie haben mich — äh — falsch verstanden, Mr. van Dyk.«
»Dann erklären Sie sich einmal besser«, gab ich trocken zurück. »Allmählich wird nämlich dieses Gespräch für mich uninteressant. Meine Zeit ist mindestens so teuer wie Ihre.«
Holden erhob sich halb aus' seinem Sessel. »Bitte, Mr. van Dyk. Lassen Sie mich ausreden.«
»Nur zu!«
»Ich kannte Marvin Steele.«
»Wie schön für Sie«, unterbrach ich den Rechtsanwalt. Für einen ausgekochten Rechtsverdreher besaß er meiner Meinung nach entschieden zu wenig Nerven. Ich beschloß, ihn bewußt zu provozieren. Vielleicht würde er dann mehr aus sich herausgehen, und ich konnte wichtige Informationen sammeln.
»Ich weiß auch«, fuhr Holden tapfer fort, »daß nicht Marvin Steele der geistige Boß der Bande war, sondern daß Sie es sind. Sie planen die einzelnen Unternehmen und achten darauf, daß die Kasse stimmt.«
Ich verneigte mich nur leicht, sagte aber kein Wort. Dieser van Dyk, dessen Rolle ich jetzt übernommen hatte, schien ja entschieden mehr am Stecken zu haben, als wir bislang angenommen hatten.
Holden schöpfte Luft und fuhr dann fort: »Mr. Paladino ist ein alter Mann. Er sucht einen neuen tatkräftigen Nachfolger für sich.«
»Okay«, knurrte ich. »Sagen Sie Paladino, er soll mir eine Abtrittserklärung von seinen Geschäften schicken, und ich kümmere mich um den Laden.«
»Sie scherzen«, sagte Holden erschrocken. »Mr. Paladinos Vorschlag ist anders. Sie werden nach ihm zweiter Boß. Und zwar nicht nur über die Steele-Gang, sondern auch drüben in New York über die dortige Filiale der Paladino-Gang.«
»Das klingt nicht schlecht«, gab ich zu, denn ich durfte ja den Bogen nicht überspannen.
»Sehen Sie«, sagte Holden und strahlte wie der Erstgläubiger bei einer endlich durchgesetzten Zwangsversteigerung, »Ich wußte ja, daß wir uns einig werden.«
»Jetzt brauchen Sie mir nur noch zu verraten, wie das praktisch vor sich gehen soll«, dämpfte ich seinen überschwenglichen
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