Jerry Cotton - 0523 - Ich war das As der Unterwelt
Steigung hinan.
»Ja«, sagte sie endlich. »Verstehen Sie, daß diese Frage sehr wichtig für mich ist?«
»Haben Sie ihn geliebt?«
»Ja«, sagte sie schlicht.
»Wußten Sie, daß er einer der gefährlichsten Verbrecher des Landes war?«
»Wer behauptet das?« fuhr sie heftig auf. , »Die Polizei«, sagte ich. »Es war allgemein bekannt.«
»Es stimmte nicht«, sagte sie heftig. »Marvin war kein Verbrecher. Ich habe ihn gekannt. Das sind alles nur Gerüchte, dumme, widerliche Verleumdungen«
»Und wie steht es mit Ihrem Vater?« fragte ich.
»Das ist etwas anderes«, sagte sie rasch. »Aber Vater hat sich gewandelt…« Ich trat vor Überraschung in die Bremse.
»Was sagen Sie da?«
»Ja, er hat seiner Vergangenheit längst abgeschworen. Er hatte eine harte Kindheit, und er geriet in eine schlechte Umgebung. Dazu kam diese unselige Prohibitionszeit. Aber das ist längst vorbei und vergessen. Seit er hier in Massany ist, hat er seiner Vergangenheit abgeschworen. Er will nichts mehr damit zu tun haben. Und deshalb mag er es nicht, daß Zeitungsreporter herumschnüffeln und die Gespenster seiner Vergangenheit beschwören.«
Ich sah sie nachdenklich an. Glaubte sie das wirklich? Ich wußte es nicht.
Kopfschüttelnd legte ich den Gang ein und fuhr wieder an. Wir hatten jetzt den Wald verlassen und bogen in die Hauptstraße ein. Vor uns lagen die ersten Häuser von Massany.
»Okay, und wenn Sie eine so gute Meinung von ihm haben — wie kommen Sie dann auf die Idee, daß er Marvin ermorden ließ?«
»Weil er nicht wollte, daß ich ihn heirate!«
»Und warum wollte er das nicht?«
»Weil er Marvin für einen Verbrecher hielt — genau wie Sie. Und weil er nicht wollte, daß ich einen Verbrecher heirate.«
»Das muß gerade er sagen«, bemerkte ich kopfschüttelnd. »Wo haben Sie Marvin kennengelernt?«
»In New York. Ich war dort auf dem College. Als Vater davon erfuhr, forderte er mich auf, sofort nach Hause zurückzukommen. Ich tat es. Wir hatten einen ziemlichen Streit, und ich forderte ihn auf, Marvin wenigstens eine Chance zu geben. Er erklärte sich bereit, Marvin anzuhören.«
»Kannte er ihn denn nicht?«
»Er kannte ihn, aber nur dem Namen nach.«
»Marvin war überhaupt nur ein einziges Mal in Mässany?« fragte ich ungläubig.
»Ja — an dem Abend, an dem das Unglück geschah. Es gab eine ziemliche Auseinandersetzung mit meinem Vater. Marvin und er schrien sich an. Dazu hatten beide viel getrunken.«
»Und dann verließ Marvin zornig das Haus.«
»Ja, er stieg in seinen Wagen und raste davon«, sagte sie leise. »Wenig später geschah das Unglück.«
Wir erreichten die Main Street von Massany, und ich verlangsamte das Tempo.
»Und Sie befürchten, Ihr Vater ist daran schuld. Aber diese Befürchtung ist nicht sehr logisch, Miß Paladino. Wenn Sie behaupten, Ihr Vater hätte seiner kriminellen Vergangenheit abgeschworen.« I '
»Das hat er. Aber ich glaube, in diesem einen Fall hat er eine Ausnahme gemacht.«
»Trotzdem — so etwas läßt sich nicht mit der linken Hand durchführen. So etwas muß man vorbereiten. Dazu braucht man Leute, Geld und Ideen.«
»Daran hat es Vater bestimmt nicht gefehlt. Er kannte genügend Leute von früher her, die für ein paar Dollar zu jeder Schandtat bereit sind.«
»Aber in diesem Fall müßte er den Mord an Marvin schon vorher geplant haben.«
Sie nickte.
»Eben das befürchte ich. Verstehen Sie jetzt, warum diese Frage für mich sehr wichtig ist. Ich habe keine Chance sonst, die Wahrheit herauszufinden. Deshalb hoffe ich, daß Sie mir helfen können. Die Polizei kann es nicht. Für die Polizei ist es ein ganz normaler Autounfall.«
»Sie irren«, sagte ich langsam. »Für die Polizei ist es ein Mord.«
Sie erstarrte und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ist das sicher?«
»Es gibt keinen Zweifel«, sagte ich. »Marvin Steele Wurde ermordet. Wir wissen nur nicht, wer der Täter ist. Oder sagen wir — es gibt keine Beweise.«
Ein paar Sekunden saß sie reglos neben mir, dann beugte sie sich vor.
»Halten Sie an«, sagte sie gepreßt.
Ich folgte der Aufforderung. Im nächsten Augenblick riß sie die Tür auf und rannte davon. Ihre Absätze klapperten auf dem Pflaster.
Ich machte keine Anstalten, ihr zu folgen.
***
»Versetz dich doch nur einmal in ihre Lage«, sagte Phil zu mir. »Wie wäre dir zumute, wenn du eines Tages beim Erwachsenwerden plötzlich feststellst, daß dein Vater ein Gangster ist.«
»Ich mag mir das gar
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