Jerry Cotton - 0527 - Der Killer mit dem Dekollete
Ihnen gleich, daß ich nichts davon wußte.«
»Hält sich DeFlora in seinem Zimmer auf?«
»Nein. Und ich hab’ keine Ahnung, wann er zurückkommt. Oft kreuzt er mehrere Tage nicht auf. Wollen Sie seine Bude sehen?«
»Haben Sie einen Schlüssel?«
»Gibt keinen Schlüssel, G-man. Das Zimmer läßt sich nur von innen verriegeln. Wenn DeFlora das Haus verläßt, muß er die Tür offenlassen, weil ich einige Räume als Vorratslager benutze.«
Er kam hinter seiner Theke hervor und führte mich zu dem mit einem Vorhang verdeckten Durchbruch an der Stirnwand.
Die Würfler und Kartenspieler blickten auf, als ich an ihren Tischen vorbeikam. Mir fiel ein Mann mit kurzgeschnittenem blondem Haar auf, der allein an einem Tisch saß und mit irgendeinem Gegenstand spielte, den er zwischen den Fingern drehte. Er sah mich nicht an, und er hielt den Kopf so gesenkt, daß ich nur seine Stirn und die dichten Augenbrauen sehen konnte. Er war besser gekleidet als die anderen Gäste der Kaschemme.
Der Wirt zog den Vorhang zur Seite. Er stieg eine steile knarrende Holztreppe hoch. Ich folgte ihm. Die Stufen endeten vor einer offenstehenden Tür. Er schaltete das Licht ein. Ich sah einen großen Raum, von dessen Wänden die Tapete in Fetzen herunterhing. An vielen Stellen der Decke fehlte der Putz. Die Fenster waren verdeckt und ohne Gardinen. Die Einrichtung bestand aus einem wackligen Bett, einem Spind, einem Tisch und zwei Stühlen.
»Hier schläft DeFlora«, erklärte der Wirt. »Die Tür da hinten führt in den Waschraum, und von dort aus können Sie die Räume erreichen, die ich für meine Vorräte benutze.«
»Machen Sie das Licht aus!« befahl ich. »Wenn DeFlora in dieser Minute kommt, wird er sich wundern, Licht in seiner Bude zu sehen.«
Der Kaschemmenboß tat, was ich ihm sagte. Das' Licht erlosch. Aus der Kneipe fiel ein Lichtschimmer bis zum Ende der Treppe.
»Kennen Sie den Namen Ken Karch?«
»Nein.«
»Mit welchen Leuten haben Sie DeFlora gesehen?«
»Mit vier oder fünf verschiedenen Girls.«
»Nie mit Männern?«
»Nein«, antwortete er, verbesserte sich aber. »Ein- oder zweimal mit einem großen sommersprossigen Burschen. Er hatte sehr helle und krause Haare.«
Ich trat an das Fenster. Unter mir lag im Licht der Straßenlaterne die 30. Straße.
»Ich werde zwei Beamte in Ihre Kneipe setzen«, erklärte ich. »Sie werden DeFlora festnehmen, sobald er auftaucht. Ich hoffe, daß er keine Schwierigkeiten macht. Gibt es jemanden, der ihn warnen könnte?«
»Ich glaube nicht. Er hat keine Freunde — ausgenommen den Weißblonden, aber der stammt nicht aus dieser Gegend. Ich werde natürlich den Mund halten.«
Ein Wagen kam die 30. Straße herauf. Er verlangsamte die Fahrt und blieb vor dem Haus stehen. Es war ein grauer Ford des Baujahrs 61 oder 62. Der Fahrer stieg aus. Ich konnte ihn nur im spitzen Winkel sehen, und der Hut, den er trug, verdeckte den größten Teil des Gesichtes. Trotzdem glaubte ich, ihn zu erkennen. Schließlich hatte ich DeFloras Bild oft genug betrachtet.
»Kommen Sie her!« rief ich dem Wirt zu. Er beeilte sich und rannte in der Eile einen Stuhl um.
Der Mann war unterdessen um den Bug des Fords herumgegangen. »Ist das DeFlora?«
»Das ist er«, bestätigte der Kneipenbesitzer. »Woher hat er den Wagen? Ich habe ihn noch nie mit ’nem Schlitten gesehen.«
DeFlora betrat den Bürgersteig und ging auf den Eingang zur Kaschemme zu.
»In Ordnung«, sagte ich. »Ich werde es hier oben erledigen. Gehen Sie nach hinten, damit Sie nichts abbekommen, falls er durchdreht.«
In dieser Sekunde geschah es. DeFlora befand sich ziemlich genau auf der Mitte des Bürgersteiges, als der Feuerstoß einer Maschinenpistole ihn traf. Er warf die Arme hoch, torkelte rückwärts gegen den Wagen und brach zusammen.
Für die Dauer eines Herzschlages stand ich wie erstarrt. Dann warf ich mich herum, stieß den Wirt zur Seite und raste die Treppe hinunter.
Das Hämmern der MP hatte die Gäste der Kneipe von ihren Tischen gescheucht. Alle drängten zur Tür. »Machen Sie Platz!« brüllte ich. »FBI!«
Sie reagierten nicht sofort. Ich warf mich zwischen sie. »Machen Sie Platz!« wiederholte ich. Mit Ellbogenstößen und Fausthieben half ich nach. Auf diese Weise gelangten nur drei oder vier Leute vor mir auf die Straße, aber ich war der erste, der neben DeFlora niederkniete.
Er hatte den Hut verloren und lag auf dem Rücken. Seine Augen standen weit offen. Ich fühlte die Wärme seines
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