Jerry Cotton - 0539 - Die Tochter des Spions 3 of 3
auf und ab. Ich hatte mich mit Sonnenöl eingerieben. Andernfalls hätte ich mir einen prächtigen Sonnenbrand eingehandelt.
Ich entdeckte die Gruppe mit Gloria. Die Mädchen lagen auf ihren Frotteejacken, hatten sich achtförmige Sonnenblenden auf die Augen gelegt und schmorten in der Sonne. Gloria trug einen roten Bikini, der groß genug war, um eine Streichholzschachtel bis in die letzte Ecke zu füllen.
Ich sah mich um. Männer, die eine Menge mexikanisches Blut in den Adern hatten, verkauften Eis, Cola und Obst. Außerdem konnte man Liegestühle und Sonnenschirme mieten. Beides kostete einen Dollar. Ich stellte meine Liege in Glorias Nähe auf. Der Schirm spendete Schatten. Jetzt war es so angenehm, daß ich es stundenlang hätte aushalten können.
Die beiden Jungen hechelten am Strand herum, sie spielten Federball. Niemand achtete auf mich, denn hier war zuviel Wirbel. Außerdem hatte ich mich mit dem breitkrempigen Strohhut ausreichend maskiert. Ich konnte Gloria beobachten, ohne aufzufallen. Viel erhoffte ich mir davon allerdings nicht, und allmählich wurde ich mißmutig. Es war eine langweilige Aufgabe. Die ganze Arbeit bestand darin, das Mädchen zu beobachten. Vielleicht kam ihr Vater bald. Vielleicht war er klug und sagte sich, daß wir seiner Tochter nichts anhaben konnten. Sie hatte Geld, und sie war selbständig genug. Also tat er am besten, sich gar nicht um sie zu kümmern. In Monaten oder Jahren würde Gras über die Sache wachsen. Wenn er dann mit seiner Tochter Kontakt aufnahm, war das weitaus ungefährlicher.
Trotzdem hofften das FBI, das Verteidigungsministerium und ich, daß er sich blicken ließ. Denn erfahrungsgemäß haben kaltblütige, grausame und völlig skrupellose Verbrecher oft etwas, woran sie mit abgöttischer Liebe hängen.
Es gab Massenmörder, denen es gleichgültig war, als sie ihren letzten Gang — den zum Elektrischen Stuhl — antraten; aber sie verzehrten sich bis zuletzt in der Sorge um ihren Hund, ihre Katze, ihren Papagei, ihren Kanarienvogel. Andere Unholde wiederum mordeten und schändeten oft jahrelang, hatten nicht einen Funken Achtung vor dem Leben anderer und lebten trotzdem während der ganzen Zeit friedlich mit ihren Frauen zusammen. Mit Frauen, die von allem nichts ahnten. Mit Frauen, die von ihnen geliebt wurden, die ihren Mann nie anders als liebevoll, sanft und zärtlich gekannt hatten.
Ich hoffte, daß es sich bei Ellwanger ähnlich verhielt. Er mußte in Nassau einen Mann erstochen haben, einen, der ihm ähnlich war, dem er seine Papiere /.ustecken konnte, um als tot zu gelten.
Er hatte Tanja Cain erstochen. Er hatte Penny umbringen lassen. Er war ein Teufel, der sich an wehrlosen Frauen vergriff. Er war ein Spion, der unserem Land in kaum vorstellbarem Maße schaden wollte. Ein Mensch ohne Gefühl. Doch vielleicht gab es einen Winkel in seinem Wesen, den er sauber hielt. Vielleicht war Gloria das einzige, was er liebte. Dann — davon war ich überzeugt — würde die Vaterliebe siegen und nicht die Vernunft. Dann mußte er bald hier auftauchen, um seine Tochter vor uns in Sicherheit zu bringen.
Diesen Gedanken hing ich nach, während ich mit halbgeschlossenen Augen auf dem Liegestuhl ruhte.
Ein paar Minuten vergingen. Dann stand Gloria auf. Ihre Haut glänzte. Sie nahm die Sonnenbrille von den Augen. Die übrigen Mädchen blieben liegen. Die Boys waren mit ihrem Federballspiel beschäftigt. Gloria aber schlenderte den Strand entlang. Zum Glück nicht in meine Richtung, sondern entgegengesetzt. Sie hielt etwas in der linken geschlossenen Hand.
Gloria ging bis zu einem Mexikaner, der unter einem Schirm hockte, die Kühltruhe mit Eis neben sich. Gloria kaufte etwas zum Naschen. Im Augenblick, da sie bezahlte, näherte sich eine zweite Kundin.
Die Frau mochte Mitte Zwanzig sein, hatte apfelgrüne Augen, einen schwarzen Pagenkopf und üppige Kurven, mit denen der knappe Badeanzug kaum fertig wurde. Die Frau sah aus wie Liz Taylor. Aber sie hieß Cherry Hillar und war Modell und Braut des Malers Ted White gewesen, den ich in Notwehr erschossen hatte.
Ich blieb liegen, schob mir den Strohhut in die Stirn und äugte unter der Krempe hervor.
Cherry und Gloria standen jetzt nebeneinander. Sie schienen sich nicht zu kennen.
Ich paßte auf wie ein Luchs. Und dann sah ich es. Flink und unauffällig schob Cherry etwas in Glorias Hand. Etwas sehr Kleines. Ich tippte auf einen zusammengefalteten Zettel.
Dann ging Cherry, die sich ein Eis gekauft hatte, in
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