Jerry Cotton - 0539 - Die Tochter des Spions 3 of 3
Hammer knirschte.
Herold fiel um wie von einer Axt getroffen. Er fiel auf den Rücken, breitete die Arme aus, machte noch einen schwachen Versuch, hochzukommen und rollte dann auf die Seite und rührte sich nicht mehr.
Ich ging nicht in die neutrale Ecke, sondern kniete neben Herold. Seine Eisaugen glotzten mich an. Aber sie waren ausdruckslos und verschleiert. Ich wußte, daß er mich nicht sah. Ich war einigermaßen beruhigt. Viel Schaden hatte ich nicht angerichtet. Herold war k. o. Aber er würde sich erholen. Denn seine Gesundheit hatte ich geschont, indem ich den K.-o.-Schlag nicht mal mit halber Kraft geführt hatte.
Spencer war neben mir. »Großartig«, flüsterte er. »Waren Sie mal Profi?«
Ich schüttelte den Kopf. Dann sagte ich: »Lassen Sie Herold von einem Arzt untersuchen!« Ich erhob mich.
Jemand kletterte durch die Seile und kam auf mich zu. Es war einer der Jungen, die während der Mahlzeiten an meinem Tisch saßen. Ein großer Blonder mit sympathischem Gesicht. Er war ein bißchen verlegen. Aber er gab sich einen Ruck. Er ging nicht zu Herold, wie ich erwartet hatte, sondern streckte mir die Hände entgegen und sagte: »Darf ich Ihnen die Handschuhe aufschnüren, Mr. Gribble.«
Wortlos hielt ich ihm die Fäuste hin. Während er sich mit den Knoten abmühte, hatte ich Zeit, mir das Publikum anzusehen. Es war erstaunlich: Niemand rührte sich. Wie Gipsfiguren hockten sie auf dem Rasen. Kein Beifall. Kein Laut. Nur aufgerissene Augen, sprachlos geöffnete Münder und verstörte Mienen.
Mein Blick suchte Gloria Ellwanger.
Ihr Gesicht war wie Eis. Die Haut hatte sich blaß gefärbt. Die Augen waren flach und ausdruckslos auf mich gerichtet. Erst als ich den Ring verließ, löste sich die Erstarrung etwas. Es kam Bewegung in die Menge. Wie eine zitternde Woge lief sie durch die Reihen. Aber noch immer sagte niemand ein Wort.
Ich bückte mich, setzte meine Brille auf, nahm Hemd und Jacke und hängte sie mir über den Arm. Völlig gelassen ging ich durch die schweigende Schar in Richtung Portal.
***
Eine halbe Stunde später saß ich in meinem Ford. Der Wagen stand auf dem Parkplatz und schmorte in der Hitze. Drei Parklücken von mir entfernt harrte ein blauer Jaguar in der Sonne aus. Typ E, das gleiche Modell, das ich in New York fahre. Dieser blaue gehörte Gloria Ellwanger.
Ich wartete. Der Samstagnachmittag war frei. Vielleicht fuhr das Mädchen weg. Ich blätterte in einer Zeitung. Mein Hemd war durchgeweicht, und ich fühlte mich schlechter als unmittelbar nach dem Boxkampf. Wie ich inzwischen erfahren hatte, war Herold immer noch groggy, aber seine Gesundheit hatte keinen nachhaltigen Schaden erlitten.
Ich wartete vierzig Minuten. Dann hatte ich die Nase voll. Gloria Ellwanger war nicht gekommen. Es kam überhaupt niemand. Die Rückseite des Internats war anscheinend für Schüler nicht interessant. Da es aber der einzige Weg war, um die Halbinsel in Richtung Petersburg zu verlassen, hatte ich meine Zeit nicht völlig sinnlos verbracht. Immerhin wußte ich, daß Gloria noch im Bau war.
Ich stieg aus dem Wagen, holte tief Luft und ging zum Portal. In der kühlen Halle schienen sich meine Schweißperlen zu kristallisieren. Ich stieg die Treppe hoch, betrat mein Zimmer und überlegte, was zu tun sei. Dabei sah ich aus dem Fenster und entdeckte eine Gruppe Schüler. Es waren Mädchen. Sie kamen von links, aus Richtung Mädchentrakt. Zwei Jungen schlenderten von der anderen Seite heran. Eines der Mädchen war Gloria. Ihre nackten Beine endeten unter einer knallgelben Frotteejacke. Die Füße steckten in Strandlatschen. Die übrigen Girls waren ähnlich aufgemacht, erreichten jedoch nicht die halbe Wirkung. Die Jungen trugen Badeshorts, sonst nichts. Alle sechs gingen über den Platz in südliche Richtung, zur Spitze der Halbinsel. Unmittelbar an die Sportstätten des Internats grenzt dort der breite, von unbarmherziger Sonne ausgelaugte Strand.
Zwei Minuten später machte ich mich auf den gleichen Weg. Bekleidet mit Badehose, Sandalen, Sonnenbrille und breitem Strohhut, den ich auf dem Wege von Fort Lauderdale hierher in einem Drive-In erstanden hatte. Er sollte mein Gehirn vor der Sonne schützen.
Über dem Strand flirrte die Luft. Trotzdem war es nicht unangenehm. Ständig wehte vom Meer eine frische Brise. Die Sonnenbadenden waren zu Hunderten gekommen. Fast sämtliche Schüler waren da sowie viele Urlauber, die auf den Campingplätzen im Norden der Insel hausten. 'Ich ging suchend
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