Jerry Cotton - 0543 - Das Todeslied der Kapuzenmaenner
Stockend kamen die Worte über ihre blutleeren Lippen.
»Wir haben sie, Ginger!« sagte die belegte Stimme Colonel Bradleys über mir. »Wir haben Sandra Thorn mit den Plänen noch an der Hintertür erwischt!« Der Schimmer eines Lächelns flüchtete über Gingers Gesicht. »Es war also nicht umsonst.«
Wie durch einen Schleier sah ich die Schuhspitzen der Umstehenden, während mir die klebrige Nässe ihres Rückens durch die Haut meiner Hand zu dringen schien. Ich würgte an dem Knoten in meiner Kehle. In meiner Stimme saß ein merkwürdiges Krächzen.
»Nicht versuchen zu sprechen, Ginger! Bald wird ein Arzt dasein, der Sie wieder in Ordnung bringt.«
Ginger Rosko schloß für Sekunden die Augen, während sich ein nicht zu beschreibendes Lächeln auf ihrem gezeichneten Antlitz widerspiegelte. Vielleicht war es das Wissen oder Verstehen um die unvorstellbare Größe dessen, womit sich jeder Mensch nur einmal konfrontiert sieht.
Ihr Blick war von bezwingender Intensität, als sie flüsterte: »Die ›Amsel‹! Sie, Sandra Thorn, war die ›Amsel‹. Nicht der Albino. Er war nur die Geisterstimme.«
Ich nickte ihr beruhigend zu. »Ja, ich habe es gewußt, nachdem ich im Hotel erfahren hatte, daß Yama in Wirklichkeit Mackenzie war, Ginger.«
»Sie ging immer mit einer Perücke zu ihm«, flüsterte sie matt. »Wir waren uns dann zum Verwechseln ähnlich.«
»Nicht sprechen, Ginger«, sagte ich mit rauher Stimme.
»Seit wann weißt du, daß ich dein Kontaktmann der Sektion war, Shibell?« Ihre Stimme war nur noch ein Hauch.
»Erst jetzt, Ginger!« sagte ich mit zusammengepreßten Zähnen. »Ginger, erst jetzt! Du warst wunderbar. Nicht der tapferste Mann hätte deine Rolle übernehmen können, Ginger!«
»Danke, Shibell! Du hast mi…« Ein wilder Hustenanfall riß ihr das Wort von den Lippen. Sie bäumte sich in meinen Armen auf, dann brach ein entsetzliches Röcheln aus ihrer Brust. Ihre Hände verkrampften sich an meiner Schulter.
»Shibell! Shibe…«, keuchte Ginger nach Atem ringend. »Ich habe Bradley angerufen, daß Geraghty dich hierher bringen sollte!«
Ich grub die Zähne in die Unterlippe. Hilflos sah ich diesen prachtvollen Kameraden in meinen Armen sterben. Meine Kehle war wie zugeschnürt.
Als der Anfall vorüber war, lag Ginger völlig apathisch da. Ihr Atem ging flach, und ihre Lippen formten lautlose Worte. In ihre Augen trat ein überirdischer Glanz.
Ich beugte mich tief über sie.
»Shibell! Shibell!« Wie der sanfte, zarte Flügelschlag eines Schmetterlings wehten die Worte über ihre weißen Lippen.
»Bitte, sag mir deinen richtigen Namen, Shibell!«
Meine Augen wurden plötzlich blind. Ich spürte den salzigen Geschmack auf den Lippen.
»Cotton!« sagte ich mit brüchiger Stimme. »Jerry Cotton, Ginger.«
»Jerry Cot…« Es war wie ein ersterbender, verwehender Hauch.
ENDE
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