Jerry Cotton - 0555 - Der Moerderboss von Honolulu
sprechen… ich vermisse meinen Zylinder!«
»Er liegt in dem Bungalow«, sagte ich. »Sie haben ihn dort vergessen, als Sie meinten, dem Toten Ihre letzte Reverenz erweisen zu müssen. Es ist grotesk, makaber und nahezu unerträglich, daß Sie es fertigbrachten, Ihr Opfer auch noch mit einer Gedenkrede zu demütigen!«
Sharon klatschte in die Hände. Offenbar war er an einem weiteren Dialog nicht mehr interessiert.
Hollowan kam herein. Er brachte mir eine doppelläufige Winchester-Büchse, vier Ersatzpatronen und einen Umhängebeutel, der eine Feldflasche mit Wasser, die versprochene Kognakflasche und etwas Proviant enthielt. Zuletzt drückte er mir ein Jagdmesser in die Hand.
»Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, können Sie damit Harakiri begehen«, höhnte er.
Ich nahm das Messer und die übrigen Sachen schweigend entgegen. Für einige Sekunden juckte es mir in den Fingern, das geladene Gewehr auf den Hausherrn und. Hollowan zu richten und sie zu zwingen, mit mir zu Sharons Jacht zu gehen, die irgendwo in der Nähe vor Anker liegen mußte. Ich verzichtete schließlich darauf, weil ich mir sagte, daß die anderen Männer in Bereitschaft lagen, um eine solche Aktion verhindern zu können. Ronald B. Sharon war kein Anfänger.
Sharon blickte auf seine Uhr. »Zehn nach acht«, stellte er fest. »Sie haben zwei Stunden Zeit, Cotton. Innerhalb dieser Frist muß es Ihnen gelingen, sich auf Ihre Verteidigung einzurichten oder mir eine Falle zu stellen.« Er schaute mich an. »Vergessen Sie nicht, daß Sie keine Spuren hinterlassen dürfen, und denken Sie bitte daran, daß ich jeden Winkel der Insel genau kenne. Good bye, mein Lieber — und Weidmannsheil!«
Ich hängte das Gewehr und den Beutel um und marschierte grußlos aus dem Haus. Es war ein warmer, sonniger Morgen, ein Tag zum Verlieben — aber auch ein Tag zum Sterben, ganz ähnlich jenem, an dem es Nelson Algren erwischt hatte.
Ich durchquerte den Park ohne Eile und fragte mich, ob ich bereits verfolgt oder beobachtet wurde. Ich stoppte jäh, als ich an die Bluthunde dachte. Wenn Sharon die Bestien auf mich hetzte, war ich erledigt. Es war am klügsten, wenn ich meine Chancen jetzt nutzte und die Hunde erschoß, ehe sie mich zerfleischen würden.
Ich änderte die Marschrichtung. Nach wenigen Minuten hatte ich den Zwinger erreicht. Die Hunde begannen zu bellen, als sei die Hölle los. Ich blieb vor dem Maschendraht stehen. Ich wußte plötzlich, daß ich außerstande war, auf die Tiere zu schießen. Sie waren mir wehrlos ausgeliefert. Ich konnte es einfach nicht tun.
Mir fiel der Kognak ein. Ich nahm die Flasche aus dem Beutel. Ich trat dicht an das Gitter, heran, obwohl sich die Bluthunde vor Erregung gegenseitig fast zerrissen.
Dicht hinter dem Draht war eine Trinkschüssel in den Boden eingelassen. Ich öffnete die Kognakflasche und schob den Flaschenhals durch den Maschendraht. Dann ließ ich den Alkohol in die Schüssel gluckern. Die Hunde starrten mich zähnefletschend an.
Langsam füllte sich die Schüssel. Die Tiere beruhigten sich. Offenbar glaubten sie, daß ich sie nur füttern wollte. Mißtrauisch beschnupperten sie die Flüssigkeit, dann fingen sie an, wie besessen aus der schüsselartigen Vertiefung zu saufen. Es schmeckte ihnen prächtig. Man hätte meinen können, eine Bande von Alkoholikern vor sich zu haben, die ein Wetttrinken veranstalteten.
Ich warf die leere Flasche in die Büsche und ging davon. Ich hatte keine Ahnung, wie der Kognak den Tieren bekommen würde, aber ich war sicher, daß sie für den Rest des Tages als brauchbare Spürhunde ausfielen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß meine Frist sich schon um zehn Minuten verringert hatte. Es wurde Zeit, daß ich mir einen brauchbaren Plan einfallen ließ.
***
Ich stoppte, als der Park hinter mir lag. Es war jetzt wichtig, genau das Gegenteil von dem zu tun, was Sharon von mir erwartete. Vermutlich war es bislang das Bestreben seiner Opfer gewesen, die Zeit zu nutzen und sich möglichst rasch von dem Haus zu entfernen. Ich beschloß, genau umgekehrt vorzugehen und in das Schloß zurückzukehren.
Die Frage war nur, ob ich es schaffen würde, unbeobachtet und unbelästigt in das Gebäude einzudringen.
Ich vergegenwärtigte mich, wohin die Fenster der Wohnräume wiesen, und näherte mich dem Gebäude von der Stirnseite her. Ich bewegte mich dabei langsam und mit äußerster Vorsicht. Ich duckte mich hinter einen Busch, als ich Vivian und zwei Männer aus dem Haus treten
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