Jerry Cotton - 0559 - Die Hexendroge
Radarbereich aufkreuzen. Ich bin jetzt nur gespannt, ob das auch passiert.«
Wetherby griff nach einem anderen Telefonhörer. Während er wieder ein paar Wählknöpfe drückte, die eine automatische Verbindung herstellten, knurrte er: »Suchen Sie trotzdem weiter, Al. Wenn der Vogel in zehn Minuten nicht im Bereich Nord III auf den Radarschirmen erscheint, dann müssen wir melden, was los ist. Denn dann gibt es nur noch eine Erklärung…«
Allan Horne nickte und ging zurück zu seinem Drehstuhl vor der schier endlosen Reihe der schimmernden Radarbildschirme. Hoffentlich, dachte er, hoffentlich meldet Nord III, daß sie den Vogel auf ihren Schirmen haben. Denn wenn sie über den Adirondacks zu Bruch gegangen ist — bei den angekündigten Blizzards kann es Tage dauern, wenn nicht gar Wochen, bevor man unter dem Schnee etwas findet…
»Horne!« brüllte eine laute Stimme. Der ehemalige Marineflieger drehte sich um. Wetherby winkte mit hochrotem Kopfe aus seiner Kabine. Horne hastete zu ihm.
»Ja, Norm?« keuchte er atemlos.
»Nord III hat sie nicht auf den Schirmen«, rief der dicke Wetherby. »Aber die Bodenkontrolle rief gerade an. Die Abfertigung oder sonst irgend jemand. Wissen Sie, Al, Was der Vogel im Gepäckraum hat?«
Allan Horne schluckte.
»Doch wohl keine Bombe?« fragte er tonlos.
»Bombe? Nein, wieso? Etwas anderes. Das ist vielleicht ebenso gefährlich wie eine Bombe! Was für einen Tag haben wir?«
»Donnerstag.«
»Eben. Jeden Donnerstag schickt der Juwelier Moine neue Ware an seine Filialen in Kanada. Und der Kram wird jedesmal mit Flüg 218 der AAA nach Toronto gebracht, wo die Leute der kanadischen Filialen schon warten. Heute sind Juwelen für 722 000 Dollar an Bord! Mann, Horne, für eine Dreiviertelmillion Diamanten!«
***
Auch in New York hatte der Schneefall eingesetzt. Dicke weiße Flocken sanken lautlos aus der Dunkelheit des abendlichen Winterhimmels. Noch konnten sie sich nicht in der Wärme der Straßen halten. Aber wenn der Schneefall anhielt, die ganze Nacht hindurch anhielt, dann war am Morgen mit einem weißen New York zu rechnen. Und mit verstopften Straßen. Mit überfüllten U-Bahnen. Mit ausgefallenen Bussen. Mit zum Bersten überfüllten Vorortzügen. Mit pausenlosen Einsätzen der Schneeräumkommandos. Dann würden wieder in endloser Kette die Lastwagen der städtischen Straßenreinigung ihre Schneefuhren in den Hudson und den East River kippen. Wie es noch jeden Winter gewesen war.
Die Leute in den Straßen hatten den Mantelkragen hochgeklappt. Rodelschlitten und Skier wurden von den Böden und aus den Abstellräumen hervorgekramt. Vielleicht konnte man morgen schon im Central Park die Freuden des Winters genießen.
Im Augenblick freilich konnte davon noch keine Rede sein. Aus den Toren der »Chedrug« quoll ein endloser Strom von Autos. Die Scheibenwischer klappten in monotonem Rhythmus, die Scheinwerfer versuchten, die Dunkelheit zu durchdringen, aber schon nach zwölf Yard verdichtete sich der optische Eindruck des Schneefalles zu einer wirbelnden Masse weißer Tupfen.
Bob Sedan zog seine Schirmmütze weit nach vorn in die Stirn. Der Assistent des Lagerverwalters wollte sein Gesicht allerdings weniger vor dem Schnee schützen; er wollte vom Portier nicht erkannt werden, als er sich hastig an dem erleuchteten Häuschen vorbeidrängte. Draußen auf der Straße wandte er sich nach links. Vierzig Schritt weiter quollen die Büromädchen aus einem Tor, das nur in den Hauptstoßzeiten aufgeschlossen wurde. Und dort schob sich Sedan wieder hirtein auf das Firmengelände. Er hatte Mühe, hindurchzukommen, denn von drinnen drückte eine Schar fröhlich schwatzender Mädchen heraus, und einige riefen ihm sogar zu, daß Feierabend sei, aber er kümmerte sich nicht um sie und schob sich hinter dem Tor nach rechts in die Dunkelheit hinein, wo die endlosen Garagenreihen der betriebseigenen Trucks, Lieferwagen und Personenwagen sich erstreckten. Im Schutze der Dunkelheit suchte er seinen Weg auf das langgestreckte Lagergebäude zu. Es war ein hallenartiger Bau, dessen Rückfront weder Fenster noch Türen aufwies. Auf der südlichen Giebelseite gab es Anfahrrampen für die Trucks und große schwere Schiebetore. Wenn sich jemand nach Betriebsschluß ins Lager schleichen wollte, würde er bestimmt nicht versuchen, eins der schweren Tore aufzuschieben.
Auf der westlichen Frontseite gab es vier Metalltüren, von denen drei freilich so gut wie nie benutzt wurden. Sedan wußte
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