Jerry Cotton - 0559 - Die Hexendroge
nicht einmal, wo die Schlüssel für diese drei Türen zu finden waren. Sein Augenmerk galt der vierten Tür. Ungefähr achtzig Yard entfernt brannte auf einer der Werksstraßen eine hoch hängende Bogenlampe. Ihr Lichtschein reichte nicht bis zum Lagergebäude. Bob Sedan schob sich hinter einen Stapel leerer Kisten und suchte sich eine Stelle, von wo aus er die vierte Lagertür im Auge behalten konnte, während er doch gleichzeitig einigermaßen vor dem kalten Wind geschützt war.
Wenn tatsächlich Lagerbestände verschwunden waren, so hatte er sich überlegt, dann mußte der Dieb nach Betriebsschluß gekommen sein. Tagsüber unterlief jede Ausgabe einer ganzen Reihe ausgeklügelter Kontrollen. ’ Ein bloßer Irrtum in der Verpackung irgendeines Medikaments könnte ja verheerende Folgen haben. Also war es tagsüber nicht möglich, Lagerbestände illegal auf die Seite zu schaffen. Es konnte nur in der Zeit nach Betriebsschluß geschehen. Und Bob Sedan hatte sich vorgenommen, auf eigene Faust herauszufinden, wer der Dieb war.
Nach einer halben Stunde bereute er seinen Entschluß bereits. Er hatte eiskalte Füße, Hunger und Durst auf etwas Brühheißes. Und außerdem — wer sagte denn, daß der Dieb in dieser Nacht kommen würde? Und wenn er kam — vielleicht verlegte er seine Raubzüge auf die Stunden des grauenden Morgens? Sedan rieb sich die frostklammen Finger. Bis in die Morgenstunden würde er es in dieser Kälte nicht aushalten. Also konnte er ebensogut jetzt gleich verschwinden. Es war überhaupt eine blödsinnige Idee, auf eigene Faust einen Dieb entlarven zu wollen. Der Kerl war doch jetzt, nachdem die Polizei schon dagewesen war, gewarnt. Wahrscheinlich würde er sich hüten, in den nächsten Tagen weitere Diebstähle auszuführen.
Bob Sedan blies sich warme Atemluft in die klammen Finger. Er h£tte längst mit den anderen Jungen zur gewohnten Runde auf der Bowlingbahn sein können, statt hier herumzustehen und zu frieren. Er schielte zum Himmel hinauf. Es sah aus, als wollte das Schneien überhaupt kein Ende mehr nehmen. Schon war das Werksgelände mit einer dicken weißen Schneedecke überzogen, die von Minute zu Minute lautlos und unauffällig in die Höhe wuchs.
Wozu, dachte Sedan, wozu haben wir eigentlich den Werkschutz? Wie komme ich dazu, diesem müden Verein und der Polizei die Arbeit abzunehmen? Ich bleibe noch zehn Minuten, dann verschwinde ich. Bevor ich mir in dieser Kälte den Tod geholt habe.
Der bloße Gedanke daran, daß dieser ungemütliche Aufenthalt in zehn Minuten sein Ende finden sollte, erfüllte ihn mit innerer Wärme. Am Nachmittag hatte er noch einen unbändigen Haß auf die Polizei empfunden, aber jetzt sah er die Dinge mit anderen Augen. Wenn er selbst ein Polizist wäre, dachte er, würde er natürlich auch zuerst die Burschen verdächtigen, die schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren.
Er wollte gerade gehen, als er am anderen Ende des Lagerhauses einen Schatten wahrnahm, eine undeutliche Gestalt, die sich an der Hauswand entlangschlich.
Plötzlich war seine Kehle wie ausgedörrt. Der Dieb! schoß es ihm durch den Kopf. Er hatte also doch recht gehabt. Bob Sedan öffnete und schloß die Fäuste. Er war ein kräftiger junger Mann, und er hatte keinen Augenblick einen Zweifel daran, daß es ihm gelingen würde, den Dieb festzuhalten, bis vom Lärm der Werkschutz herbeigerufen war. Er, Bob Sedan, der Verdächtige, würde den wahren Dieb stellen und dem Werkschutz und damit der Polizei übergeben. Er atmete aufgeregt.
Jetzt war die Gestalt an der Tür angekommen, die Bob im Auge behalten hatte. Der junge Mann löste sich von dem Kistenstapel und schlich lautlos durch den Schnee, der seine Schritte dämpfte wie ein dicker Teppich.
Als er schon bis auf wenige Schritte an die schemenhafte Gestalt herangekommen war, konnte er undeutlich einen dunklen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen und einen schwarzen Hut erkennen. Bob Sedan holte noch einmal tief Luft und wollte sich mit einem Satz auf den Mann stürzen. Aber da mußte er ein Geräusch verursacht haben, ein leises Knirschen des Schnees vielleicht, jedenfalls warf sich der Ertappte im selben Augenblick herum, als sich der Junge auf ihn stürzen wollte.
Bob sah, daß der Mann den linken Arm hochriß, aber Bob war gestrauchelt und versuchte erst einmal, sein Gleichgewicht wiederzugewinnen, indem er die beiden Hände gegen die Mauer drückte, um seinen Sturz aufzufangen. Im selben Augenblick krachte etwas mit
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