Jerry Cotton - 0559 - Die Hexendroge
herkommt.«
»Lindovan? Noch nie gehört. Was ist das?«
»Irgend etwas für seelische Wirkungen. Meine Güte, Cotton, ich bin doch kein Medizinmann, mich dürfen Sie so etwas nicht fragen. Ich weiß von dem Kram überhaupt nur, weil ich mal eine Zeitlang in ein gewisses Lokal zum Mittagessen ging.«
»Gab es zum Hauptgericht Rauschgiftbeilage?«
»Quatsch. Dort aß auch immer der Chefchemiker eines unserer großen Arzneimittelwerke, ein gewisser Lindemann. Heute früh rief er mich an und bat um meinen Besuch. Er wollte einen Rat haben. Aus dem Lager dort sind noch nicht genau bestimmte Mengen von diesem Lindovan verschwunden. Ich habe die Geschichte den Detektiven des zuständigen Reviers an den Hals gehängt. Aber vielleicht ist dieses Zeug das neue Rauschgift, von dem Ihr anonymer Anrufer plapperte.«
»Geben Sie mir die Adresse der Firma? Wir möchten uns dort gern einmal umsehen.«
»Jetzt? Die werden längst Feierabend haben. Fabriken arbeiten doch selten länger als bis fünf. Und jetzt haben wir…«
»Captain, Sie sollen mir nicht die Uhrzeit verraten, sondern die Adresse dieser Firma!«
»Wissen Sie was, Cotton? Ich komme selber mal mit dahin. Das bin ich diesem Lindemann schuldig, als altem Bekannten. Außerdem — Sie wissen ja — macht es immer so einen guten Eindruck auf die Steuerzahler, wenn sie merken, daß bei der Polizei ihre Probleme ernst genommen werden.«
»Sie hätten Politiker werden sollen, Hywood.«
»Merken Sie denn nicht, daß ich es vorbereite? Nächstes Jahr kandidiere ich für den Senat und in der übernächsten Wahlperiode will ich es mal als Präsident versuchen. Aber das ist noch vertraulich.«
»Okay, Hywood. Phil und ich werden auf jeden Fall schon unsere Auswanderung vorbereiten, falls Sie die Wahl gewinnen sollten. Kommen Sie zu uns, oder sollen wir Sie abholen?«
»Ihr mit eurem Zwergenauto? Wo sollte ich mich denn da verkriechen? Ins Handschuhfach?«
»Beleidigen Sie nicht meinen Besitzerstolz, Hywood. Können Sie es einrichten, daß Sie noch vor Weihnachten bei uns eintrudeln?«
Ich legte auf, bevor er zu einer Antwort kam. Eine knappe halbe Stunde später erschien der Captain bereits in unserem Office. Er klopfte sich Schnee von den breiten Schultern und der Schirmmütze. Nachdem er uns die Hand geschüttelt hatte, verspürte ich wieder einmal das taübe Gefühl in meinen Fingern, das man immer hat, wenn einem Captain Hywood die Hand drückte. Wir machten uns zusammen in Hywoods schwarzer Dienstlimousine auf den Weg.
In den Straßen herrschte ein dichtes Schneetreiben, und die Autos krochen im Schneckentempo dahin. An besonders wichtigen Kreuzungen und in einigen Durchgangsstraßen waren schon die ersten Schneeräumkommandos der Stadt an der Arbeit. Bei dem dichten Schneefall kam einem ihre Arbeit ziemlich sinnlos vor. Als wir das Haupttor der »Chedrug« erreichten, fiel uns schon ein Streifenwagen des nächsten Reviers auf, der mit rotierendem Rotlicht gerade zum Tor heraus wollte. Hywood stellte seinen Wagen einfach quer davor, so daß der Streifenführer anhalten lassen mußte. Es war ein ergrauter Sergeant mit verwittertem Gesicht und Fäusten so groß wie Vorschlaghämmer. Er walzte auf uns zu. Hywood stieg aus und sagte: »Na, Charly, was ist denn hier los?«
»Oh, Sie sind es, Captain. Ich dachte schon, da säße ein Verrückter am Steuer. Es handelt sich um die Geschichte, die Sie uns heute mittag zugespielt haben. Der Lagerverwalter hatte sich nach Feierabend im Magazin eingeschlossen. Er hat tatsächlich den Kerl erwischt.«
»Tatsächlich?«
»Jedenfalls vorübergehend. Mit einem Nachschlüssel verschaffte sich der Dieb Zutritt. Im Dunkeln schlug ihn der Lagerverwalter mit einem Bleirohr nieder. Es war sein Assistent, ein junger Mann namens Bob Sedan. Er fiel bewußtlos in den Schnee, und der Lagerverwalter holte den Werkschutz. Aber als sie zurückkamen, hatte der Junge sich bereits verdrückt. Wir haben uns gerade seine Adresse aus der Personalkartei gesucht und wollen jetzt hin, um ihn vielleicht zu Hause zu schnappen — wenn er dort ist.«
Hywood schwieg geraume Zeit. Phil und ich beobachteten ihn durch die offenstehende Tür. Sein Schweigen mußte etwas zu bedeuten haben. Aber plötzlich stieg er wieder ein und brummte über die Schulter zurück: »Okay, Charly. Falls Sie den Jungen wirklich aufgabeln, lassen Sie es mich wissen, ja?«
»Okay, Captain. Wir rufen sofort an.« Hywood setzte seine Limousine ein Stück zurück, so daß der
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