Jerry Cotton - 0560 - Den Tod auf Flaschen gezogen
erfahren, daß wir mit dem Geld verduftet sind, werden sie sich rächen wollen und uns verpfeifen. Willst du von den Bullen durch das ganze Land gehetzt werden? Bist du so versessen darauf, daß unsere Steckbriefe selbst im kleinsten Sheriffs Office hängen? Wir können nicht weg aus New York. Es geht nicht.«
»Meinetwegen kannst du bleiben. Ich weiß, was ich tue.«
»Du kannst mich nicht allein lassen!«
»Ich bin kein Selbstmörder, Baby. Hör zu, bitte! Ich verlange nicht, daß wir auf Nimmerwiedersehen verschwinden — obwohl es das Klügste wäre. Wir benachrichtigen Hank und die anderen, daß unsere Flucht nur eine taktische Maßnahme ist, um den Rest der Beute in Sicherheit zu bringen. Einverstanden?«
»Meinetwegen«, sagte das Girl nach kurzem Überlegen. »Ich gehe in die Garage und leere den Kofferraum des Wagens. Du folgst mir mit Cotton in zehn Minuten nach. Laß dich nicht von ihm aufs Kreuz legen. Denk daran, daß er sein Handwerk versteht!«
»Hältst du mich für einen Anfänger?« fragte er gereizt. »Los, hau schon ab, wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Ich packe nur rasch ein paar Sachen ein«, sagte sie und verließ das Zimmer.
Wenige Minuten später fiel die Wohnungstür ins Schloß.
Der Abstand zwischen meinem Gegner und mir war einfach zu groß, ich konnte es nicht riskieren, ihn mit einem Sprung zu überbrücken. Der Mann war zwar ein Anfänger, aber gerade das machte ihn gefährlich. Er war sichtlich nervös. Er würde abdrücken, wenn er auch nur die leiseste Gefahr erkannte.
Ich hielt es für das beste, still zu halten. Ich versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln, das sich auf Steve Dillaggios Entführung bezog, aber er schnitt mir schroff das Wort ab.
Nach etwa zehn Minuten meinte er: »Wir stinken jetzt ab. Sie gehen voran. Wir benutzen nicht den Lift, sondern das Treppenhaus. Ich bleibe hinter Ihnen. Die Waffe schiebe ich in meine Jackettasche. Sehen Sie? So! Mein Finger liegt am Abzug, die Mündung weist auf Sie. Wenn Sie irgendwelche Mätzchen probieren sollten, drücke ich ab. Ich hoffe, wir verstehen uns!«
Wir verließen die Wohnung. Ohne Eile ging ich die Treppe hinab. Der Mann blieb etwa drei Schritte hinter mir. Niemand begegnete uns. In der Kellergarage des Hauses war es angenehm kühl. Und still — aber nur für zehn Sekunden. Dann geschah es.
Eine heftige Detonation erschütterte die Luft.
Die Druckwelle der Explosion hob mich hoch und warf mich gegen einen abgestellten Wagen. Mir war, als platze mein Trommelfell. Das Bersten und Reißen von Metall vermischte sich mit dem hellen Geräusch zerspringenden Glases.
Ich zuckte herum und sah, daß mein Gegner gleichfalls zu Boden gegangen war. Noch ehe er eine Chance hatte, wieder auf die Beine zu kommen, war ich über ihm.
Er war ein miserabler Fighter. Vielleicht lag es daran, daß er zutiefst erschreckt und benommen war. Er wußte nicht, was es mit der Explosion auf sich hatte. Ich wußte es auch nicht, aber ich ahnte die Zusammenhänge. Die Ermittlungen hatten Zeit bis später. Erst mußte der Gegner ausgeschaltet werden. Das war nach knapp einer Minute geschehen. Ich knöpfte ihm die Waffe ab und stand auf.
Durch die Kellergarage wälzte sich schwarzgrauer, beißender Qualm. Ich verstand genug von Explosionen, um zu wissen, daß eine Ladung Ekrasit hochgegangen war — vermutlich eine Bombe, deren Zünder in dem Moment ausgelöst worden war, als Vivian Cumbers ihren Wagen geöffnet hatte.
Ich konnte keine drei Yard weit sehen, aber ich hörte jetzt laute, aufgeregte Stimmen vom Garagentor herübertönen. Die ersten Neugierigen wollten sehen, was es hier unten gegeben hatte. Verständlicherweise hielt sie die Furcht vor weiteren Explosionen davon ab, die Garage zu betreten.
Ich fragte mich, ob und wie schwer es Vivian Cumbers erwischt haben mochte. Es gab für mich kaum einen Zweifel, daß die Unterwelt mit dieser Aktion zu demonstrieren versuchte, daß sie sich nicht narren ließ. Die fremde Gangstergruppe mußte inzwischen entdeckt haben, daß sich das Geld nicht in den Zeitungsbündeln befunden hatte. Daraufhin hatte sie wohl beschlossen, den Bankräubern eine letzte Warnung zu geben.
Langsam verzog sich der Qualm. Mein Gegner wälzte sich auf den Rücken. Dann setzte er sich auf. Er sah ziemlich mitgenommen aus. »Aufstehen«, befahl ich ihm. »Nehmen Sie die Hände hoch!« Er gehorchte. Mit der Waffenmündung dirigierte ich ihn zum Explosionsherd.
Nöch ehe wir den Wagen erreichten,
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