Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben
sehen Sie nicht aus. Es gibt doch keinen Ärger?«
»Ich kann Ihnen versprechen, es wird nichts passieren, womit die Polizei nicht einverstanden wäre.«
Als ich die Treppe hinausstieg, kniff ich die Nase zusammen. Es roch nach Armut in diesem Bau, nach billigem Bratfett, frischer Farbe, nasser Wäsche und muffigen Zimmern. Jede Stufe knarrte. Das Geländer war schmierig.
Im dritten Stock kam mir eine alte Frau entgegen. Sie trug einen dünnen schwarzen Mantel und einen Hut, der altmodisch und topfförmig war, ihr bis über die Ohren reichte und trotzdem noch größer hätte sein können. Denn er verbarg nicht ganz, daß die Frau kaum noch' Haare hatte. Sie lächelte mich an und nickte, als ich meinen Hut lüftete.
Jede Etage hatte vier Wohnungen. Ein kurzer und ein langer Gang kreuzten sich. Daneben lag die Treppe. In der obersten Etage sah ich mich um. Ich schwitzte ein bißchen. Elsas Drink hatte mir eingeheizt. 5 A, 5 B, 5 C. Die gesuchte Wohnung lag zur Straße hinaus. Ich ging lautlos zur Tür. Erst als ich vor ihr stand, sah ich, daß sie nur angelehnt war.
Aus der Wohnung kam kein Geräusch. Einen Augenblick zögerte ich. Dann wurde plötzlich die Tür zugedrückt, rasch, hart und heftig, als werfe sich jemand von innen dagegen.
Ich war verblüfft. Underwood befand sich nicht im Haus, aber jemand war in seiner Wohnung. Wäre Underwood verheiratet gewesen, hätte es mir der Hausmeister sicherlich gesagt. Ich nahm meinen Hut ab und fuhr mir mit dem Mantelärmel über die Stirn. Ich setzte den Hut wieder auf, drehte den Türknauf und stieß die Tür nach innen auf.
Ich sah in eine winzige, fast kahle Diele. Neben dem Schirmständer lauerte ein silbergraues Angorakätzchen. Blaugrüne Augen funkelten mich an, beobachteten einen Zipfel meines Trenchcoats, der sich wippend bewegte. Das Kätzchen war höchstens drei Wochen alt. Es spitzte die Ohren.
Ich schloß die Tür. Das Kätzchen legte sich auf den Rücken und radelte mit allen vieren in der Luft. Es schnurrte, als ich mich zu ihm beugte und das Halslätzchen kraulte. Ich horchte, aber außer dem Schnurren war nichts zu hören.
Die Diele erhielt Licht durch den Glaseinsatz einer Tür. Dahinter lag die Küche. Rechts vermutete ich das Bad.
Ich stieß die nächste Tür auf. Ich hatte die richtige gewählt. Sie führte in den Wohnraum. Er war behaglich eingerichtet. Künstliche Felle in Grau, Grün und Dunkelbraun bedeckten jeden Fußbreit Boden. Auf der Couch, mit dem Gesicht zu mir, saß ein Mann. Er grinste, und sein Grinsen war so unverschämt wie eine Sammlung anonymer Briefe.
Mein Blick fraß sich in dem groben roten Gesicht fest. Aber das Grinsen war einbetoniert.
Der Mann trug einen eleganten pelzgefütterten Regenmantel in Beige. Der Hut war aus dem gleichen regenabstoßenden Material. Mantel und Hut glitzerten vor Nässe.
»Sie haben Besuch, Underwood. Da staunen Sie aber, was?«
Die fettige Stimme paßte zu ihm. Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr er fort. »Nicht gleich schießen. Auch wenn es bei Ihnen so üblich ist, Underwood. Entschuldigen Sie, daß ich in Ihre Wohnung eingedrungen bin. Aber Sie waren nicht da, und draußen wollte ich nicht warten. Hätte ich gewußt, daß Sie so schnell zurückkommen, hätte ich meinen Dietrich nicht bemüht. Ich bin nämlich gerade erst ’reingekommen.«
Ganz allmählich wich jetzt das Grinsen aus seinem Gesicht. Dabei verdüsterten sich die Züge wie eine zerklüftete Landschaft bei Sonnenuntergang.
Ich schob die Tür hinter mir zu. Das Kätzchen blieb draußen. Ich sagte nichts.
»Ich habe Ihnen einen interessanten Vorschlag zu machen, Underwood. Wollen Sie ihn hören?«
Ich nickte, knöpfte meinen Mantel auf und ging zu einem der Sessel.
»Kann ich vorher was zu trinken haben?«
»Nein«, sagte ich. Denn ich hatte keine Ahnung, wo Underwoods Flaschen standen.
»Macht nichts! Wenn Sie den Sprit sparen wollen, lecke ich den Regen von der Hutkrempe. Übrigens, ich bin Frank Sabatino. Ich stehe im Impressum der Westside Sun. Ich bin Reporter. Worauf ich hinauswill, brauche ich wohl nicht zu erläutern, was?«
»Sie müssen alles sehr genau erläutern, Sabatino. Sonst gibt es Ärger für Sie.«
Er w'ischte sich mit der Hand übers Gesicht, und damit erlosch das Grinsen endgültig.
»An Ihrer Stelle, Underwood, würde ich den Schnabel nicht so weit aufreißen. Und drohen, Underwood, drohen sollten Sie überhaupt nicht. Ein Wink von mir, und Sie sitzen im Knast. Aber wenn Sie vernünftig sind,
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