Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben
fraglichen Eingang und die riesige Haupthalle überblicken. Trotzdem stand ich weit genug entfernt, um Guerez nicht aufmerksam zu machen. Mein Problem war, den Mann zu erkennen. Einen Südamerikaner mit Koffer, den ein Stahlkettchen ans Handgelenk fesselt.
Sobald Guerez die Haupthalle betrat, wollte ich ihm folgen. Dabei konnte ich ihn normalerweise nicht aus den Augen verlieren; denn nur ein paar Schritte entfernt, neben der Bier-Bar, befand sich die Verbindungstür zwischen Haupthalle und Halle zwölf. Die Sicht war frei nach allen Seiten. Abgesehen von wenigen Stahlverstrebungen bestanden sämtliche Wände aus Glas. .
Ich sah hinüber nach Halle elf. Dort wimmelte es. Zwei Maschinen starteten in wenigen Minuten. Die Passagiere drängten zu den Ausgängen. Hübsche Stewardessen in ihren kleidsamen Uniformen öffneten die Türen, begrüßten die Reisenden mit einem Lächeln und nahmen die Bordkarten in Empfang. Draußen, glänzend vor Nässe, warteten die Zubringerbusse zu den Maschinen.
Nebelschwaden zogen über das Flugfeld. Die Follow-me-Wagen mit ihren rotierenden Dachlichtem flitzten umher. Die zuckenden Heckleuchten der Maschinen punktierten den Nebel. Ungezählte Scheinwerferstrahlen stachen in den Dunst.
Ich drehte mich um und griff nach meinem Bierglas. Als ich trinken wollte, fiel mein Blick in die Haupthalle. Sofort wandte ich mich ab. Ein Schritt zur Seite… Jetzt verbarg mich ein Zeitschriftenständer.
Ich wartete einen Moment, dann schob ich den Kopf vor. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. Er saß nahe dem Auskunftschalter. Er trug denselben Mantel wie heute nachmittag, hatte den Hut abgenommen, rollte einen Zigarillo zwischen den Fingern und zupfte an dem albernen Bärtchen auf seiner Oberlippe. Er sah zur Ankunfthalle hinüber, und ich zweifelte nicht, daß er auf Guerez wartete. Jos Underwood wartete.
Ich blieb hinter dem Zeitschriftenständer.
Es wurde 19.30 Uhr.
Underwood hatte mich nicht entdeckt.
Die Ankunft der Maschine aus Washington wurde durchgesagt. Ich sah, wie sie weit draußen landete. Sie kurvte heran, und ihr wurde ein Platz zugewiesen. Die Gangway schob sich an den Rumpf der jetzt stillstehenden Maschine. Ein Bus rollte längsseits. Die Passagiere stiegen aus.
Ich beobachtete Underwood. Er hockte auf seinem Platz. Gespannt waren seine Augen auf den Flugsteig gerichtet. Der Bus kam.
Underwood zog eine schmal gefaltete Zeitung aus der Innentasche seines Mantels. Ohne den Blick von der Ankunfthalle abzuwenden, schob er die Zeitung in das breite Band seines Hutes. Dann schlug er die Beine übereinander und stülpte den Hut auf das Knie. Die gefaltete Zeitung ragte steil auf.
Was dieser Unsinn bedeutete, war klar. Auch Underwood kannte Guerez nicht. Der Hut mit der Zeitung dientei als Erkennungszeichen.
Der Bus stoppte. Die Passagiere, etwa fünfzig, kletterten ins Freie. Jenseits der Glaswand gingen sie vorbei. Eirie Frau mit zwei Kindern, eine ,gxuppe junger Mädchen, zwei Manager, ein Japaner, eine Familie aus Texas, eine rothaarige Lady, hinter ihr ein Jüngling, der ihre Beine mit den Augen verschlang, dann… Das war er. Mittelgroß, unauffällig, gediegen gekleidet. Ein braunes Gesicht, das Ähnlichkeit mit einer Satansmaske hatte, und der schwarze schlichte Lederkoffer. Ich sah einige Glieder der Stahlkette. Sie kam aus dem Griff und verschwand unter dem Handschuh am Gelenk.
Guerez betrat die Haupthalle. Er ging einige Schritte nach links, blieb stehen, sah sich um, entdeckte Underwood.
Der Gangster, der ihn längst bemerkt hatte, hob den Hut mit der Zeitung. Guerez nickte. Underwood stand auf. Sie trafen sich auf halbem Wege. Sie gaben sich nicht die Hand. Sie redeten miteinander. Mit dem Daumen deutete Underwood in den Hintergrund. Dort liegen die Nebenräume, Hallen und Restaurants. Guerez nickte. Zusammen machten sie sich auf den'Weg.
Ich hielt einen Abstand von etwa zwanzig Schritt. Die Verfolgung war leicht. Keiner der beiden sah sich um. Underwood führte den Argentinier zu einer Treppe ins Erdgeschoß.
Ein Schild über der Treppe verriet, daß es hier zu den Schließfächern gehe. Underwood und Guerez stiegen hinab. Ich folgte ihnen. Sie verschwanden in einem großen Raum, den lange Schließfachkolonnen in Gänge aufteilten. Es war einfach, die beiden zu beobachten. Ich blieb hinter einer Ecke, fummelte — um den übrigen Leuten nicht aufzufallen — mit dem Autoschlüssel an einem Fach herum und sah den beiden nach. Sie gingen bis ans Ende des
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